Unterstützung für die Hausgemeinschaft Eisenbahnstraße 97 - Offener Brief an Oberbürgermeister Jung und Bürgermeister Dienberg
Offener Brief zur Unterstützung der Hausgemeinschaft Eisenbahnstraße 97
Montag, den 24. Juni 2024
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dienberg,
wie Sie wissen, kämpft die Hausgemeinschaft der Eisenbahnstraße 97 seit mehreren Monaten gegen ihre Entmietung. Neben 30 Bewohner*innen betrifft dies auch das soziokulturelle Zentrum „Con Han Hop“ und die Kneipe „Goldhorn“. Vor dem offiziellen Eigentümerwechsel hatte die Hausgemeinschaft versucht, das Haus mit der Solidarischen Wohngenossenschaft SoWo Leipzig eG zu kaufen. Nach anfänglicher Aufgeschlossenheit scheiterte dieses Unterfangen am neuen Eigentümer, der nun scheinbar alle Mittel anwendet, um die Bewohner*innen und Nutzer*innen loszuwerden. Seit Ende Mail sieht sich die Hausgemeinschaft massiven Angriffen ausgesetzt: Zunächst wurde die Gasversorgung von Unbekannten gekappt, kurz darauf wurde ein Stromkabel im Goldhorn durchtrennt. Wenige Tage Später wurde der Freisitz der Bar an zwei Abenden in Folge in Brand gesetzt. Nun folgte ohne Ankündigung die Abdeckung des Daches!
Was der E97 gerade passiert, ist kein Einzelschicksal, sondern symbolisch für die Kehrseite der aktuellen Stadtentwicklung, in der in nicht wenigen Fällen das Recht des Stärkeren gilt. Es kann nicht sein, dass Menschen, die langjährig Häuser bewohnen und Projekte, die ihre Viertel lebenswert machen, dem Renditestreben einzelner Immobilienspekulanten weichen müssen. Das Vorgehen in der E97 erinnert stark an das des Eigentümers der Thierbacher Straße 6 in Connewitz. Auf juristisch abgewendeten Kündigungen und Modernisierungsankündigungen folgten dort seinerzeit der Rückbau des Schornsteins, die Unterbrechung der Warmwasserversorgung und ebenfalls das Abdecken des Dachs im bewohnten Zustand. Auch viele Mieterinnen und Mieter der Kantstraße 55-63b in der Südvorstadt kämpfen viele Jahre um ihre langjährigen Wohnungen und mussten Schikanen über sich ergehen lassen. Den Kauf eines der Häuserblöcke durch die Mieter*innen selbst mit Unterstützung der SoWo eG lehnte der Eigentümer wie im aktuellen Fall der Eisenbahnstraße 97 ab.
Solche Fälle machen deutlich: Wenn ein gesetzesuntreuer Eigentümer entschlossen ist, kann er scheinbar unbehelligt zu brutalen Mitteln greifen, um die Bewohnerinnen und Bewohner loszuwerden und seine Vorstellungen am Haus umzusetzen.
Wir sehen es als Verpflichtung der Stadt an, Einwohnerinnen und Einwohner vor Entmietungspraxen zu schützen. Deswegen: Suchen Sie bitte das Gespräch mit dem Eigentümer und auch mit den Mieterinnen und Mietern, um eine langfristige Lösung im Sinne der Hausgemeinschaft E97 zu finden. Des Weiteren bitten wir die Stadt, die Hausgemeinschaft in der rechtlichen Auseinandersetzung zu unterstützen, da die hohen Rechtskosten die Möglichkeiten der Bewohnerschaft zu übersteigen droht.
Wir brauchen hier eine eindeutige Haltung der Stadt und der Anwohnerschaft gegenüber solchen Entmietungsstrategien, die keinesfalls mit Erfolg gekrönt werden dürfen. Deswegen fordern wie Sie, Herrn Jung, auf, sich als Vizepräsident des Deutschen Städtetages in diesem Gremium dafür einzusetzen, dass sich die rechtlichen Möglichkeiten von Kommunen gegenüber derartigen Entmietungspraxen verbessern.
- Steffen Wehmann, Stadtrat Fraktion Die Linke in Leipzig Nordost (Wahlkreis 1)
- Juliane Nagel, Stadträtin Fraktion Die Linke im Leipziger Süden (Wahlkreis 4)
- Elisa Gerbsch, Mitglied im Stadtbezirksbeirat Ost