VII-A-06922 Gesundheitliche Anpassung an den Klimawandel: Leipzig erarbeitet Hitzeaktionsplan bis zum II. Quartal 2023

Fraktion DIE LINKE

Beschlussvorschlag:

1. Anknüpfend an das Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand 2020 und die Leipziger Klimaanpassungsstrategie erarbeitet die Stadt Leipzig bis zum II. Quartal 2023 einen Hitzeaktionsplan mit folgenden drei Schwerpunkten:

I. Risikokommunikation zur Steigerung der Hitzeresilienz der Bevölkerung und saisonaler Vorbereitung einschließlich Etablierung von Kommunikationskaskaden und Kooperationsstrukturen;

II. Management von Akutereignissen mit besonderem Schutz hitzesensibler, vulnerabler Gruppen;

III. langfristige Maßnahmen zur Vorbeugung hitzebedingter Gesundheitsschäden und zur Steigerung der Hitzeresilienz.

Dabei stützt sich die Verwaltung vor allem auf die Leitlinie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Heat-Health Action Plans. Regional Office for Europe“ von 2008, auf die Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen der Bund/Länder Ad-hoc Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Anpassung an die Folgen des Klimawandels (GAK)“ von 2017, auf die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) finanzierten und vom Umweltbundesamt (UBA) geförderten Projekts „HAP-DE. Analyse von Hitzeaktionsplänen und gesundheitlichen Anpassungsmaßnahmen an Hitzeextreme in Deutschland“ (2019-2022) und konkreten Hitzeaktionsplänen anderer Kommunen wie etwa Mannheim.

2. Bei der intersektoralen Erarbeitung des Hitzeaktionsplanes sind neben den zuständigen Verwaltungsstellen (u.a. Gesundheitsamt, Sozialamt, Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, Stadtplanungsamt, Amt für Umweltschutz, Referat Kommunikation) auch umfassend die gesundheitsbezogenen Institutionen (u. a. Rettungsdienst, Krankenhäuser, Pflegeheime, Kreisärztekammer), wissenschaftliche Institute (u. a. Umweltforschungszentrum, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health), die Stadtgesellschaft (u.a. einschlägig engagierte und vernetzte Vereine, Gewerkschaften, Kirchen, größere Unternehmen sowie externe Fachleute wie das Netzwerk Health for Future Leipzig und der erweiterte Beirat Nachhaltiges Leipzig („Klimaschutzbeirat“) sowie Träger sozialer Einrichtungen wie Seniorenheimen, Kindertagesstätten und Schulen einzubeziehen.

3. Leipzig wirkt auf die Staatsregierung ein, dass anknüpfend an das „Energie- und Klimaprogramm Sachsen 2021“ für den Freistaat ein landespezifischer Hitzeaktionsplan erarbeitet wird.

Sachverhalt:

Wenn die Erde krank ist, kann der Mensch nicht gesund sein. Der weltweite Klimawandel ist eng u.a. mit Hitzestress, Extremwetterereignissen und Infektionskrankheiten verknüpft. Die dramatischen Auswirkungen des beschleunigenden Klimawandels auf die menschliche Gesundheit werden auch in der Bundesrepublik immer spürbarer. Für die Menschen 2/2 in unserem Land geht es vor allem um die Folgen ansteigender Hitze und zunehmender Extremwetterereignisse, wie die Hitzesommer in den Jahren 2003, 2010, 2015, 2018 und 2019 sowie die Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz 2021 nachdrücklich unterstreichen. Durch Veränderungen in den Ökosystemen und die wachsende Mobilität von Menschen und Waren werden darüber hinaus exotische Lebewesen und damit neue Infektionskrankheiten importiert sowie Pandemien befördert wie jüngst bei Corona. Die Erderwärmung verändert auch massiv allergene Pflanzen und ihre Pollen. Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels sind jedoch nicht nur physischer Art, sondern verursachen auch psychische Belastungen wie Angstzustände, Depressionen, Stress und Traumata.

Mit dem Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand 2020 mit seinen 24 Punkten gibt es in Leipzig ein solides Fundament für die Gestaltung der Klimaanpassung, explizit genannt ist das Handlungsfeld Klimawandel und Gesundheit allerdings nicht. Auch einzelne Aktivitäten der Stadt wie z.B. Stadtkühlung durch einzelne Begrünungsmaßnahmen, mehr Trinkbrunnen oder die Gesundheitstipps für heiße Tage (www.leipzig.de/hitzetipps) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausarbeitung eines strukturierten Hitzeaktionsplanes erst noch erfolgen muss, damit Klimaschutz und Gesundheit in unserer Stadt künftig eine bessere Allianz bilden und zur Lebensqualität beitragen können.

Hitze ist in Großstädten vor allem wegen des urbanen Hitzeinseleffekts das gravierendste Gesundheitsproblem im Zuge des Klimawandels. Für den Hitzesommer 2018 ist in Leipzig eine signifikante Übersterblichkeit nachweisbar (siehe Sozialreport 2021, Seite 168). Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird für die BRD eine Verdreifachung der jährlichen Hitzewellentage auf fast 40 Tage erwartet. Dabei ist Sachsen sowohl heute als auch perspektivisch eines der am meisten betroffenen Bundesländer.

Hitzebedingte Gesundheitsrisiken betreffen alle Menschen und verschiedenste Organsysteme (https://www.klimawandel-gesundheit.de/informationen-fuer-internisten/): Unzureichender Sonnenschutz führt zu Kopfschmerzen, Sonnenbränden, und Hautkrebs, Dehydratation erhöht das Thromboserisiko, mit Hitze einhergehende Ozonbildung führt zu Asthmaanfällen und verschlechtert Lungenerkrankungen. Die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt steigt bei Hitzeperioden. Auch Stresstoleranz und mentale Gesundheit verschlechtern sich bei Hitze, Aggressivität nimmt zu, die Produktivität ab. Ein unbehandelter Hitzeschlag kann innerhalb von 24 h sogar zum Tod führen.

Vor allem hitzesensible Gruppen sind in besonderer Weise von diesen und weiteren Hitzeauswirkungen betroffen. Darunter fallen ältere Menschen, deren Fähigkeit zur Selbstkühlung durch Schwitzen mit zunehmendem Alter abnimmt, und Kinder, die häufig ein mangelndes Durstempfinden, haben. Auch Alleinlebende, pflegebedürftige, körperlich und psychisch vorerkrankte, geistig behinderte und suchtkranke Menschen, Schwangere und unter freiem Himmel Arbeitstätige sind besonders gefährdet. Ein Hitzeaktionsplan ist ein wirksames Instrument, um zur Verringerung von hitzebedingter Sterblichkeit, Erkrankungen, und damit zu verringerter Belastung des Gesundheitswesens beizutragen. In Frankreich konnte mit dem nationalen Hitzeschutzplan (Plan Canicule Nationale) die hitzebedingte Sterblichkeit 2018 im Vergleich zu August 2003 („Jahrhundertsommer“, 14.800 Tote, 55 % gesteigerte Sterblichkeit) um 90 % reduziert werden.