Von einigen geliebt, von anderen verkannt...

Thomas Kumbernuß

Sehr geehrte Stadträtinnen, sehr geehrte Bürgermeisterinnen, sehr geehrte Medienvertreterinnen, liebe Menschen im Livestream,

Bevor ich beginne, möchte ich mich herzlich für die liebevollen Glückwünsche zu meinem 50. Geburtstag, die mich zahlreich in der vergangenen Woche erreichten, bedanken. Ich liebe euch alle!

Und jetzt zum Tagesgeschäft:

Die CDU-Fraktion wünscht sich in ihrem Antrag die Sichtbarmachung von 15 Steinstatuen auch in den Wintermonaten. Ein verständliches Unterfangen, besitzt die Stadt Leipzig doch eine große kulturelle und geschichtliche Vergangenheit, an die mittels dieser Statuen gedacht werden soll, unabhängig davon, dass einige dieser so gewürdigten Persönlichkeiten heute einer kritischeren Betrachtung unterzogen müssen.

Auf fatale Weise wird in diesem Antrag jedoch ein wesentlicher Teil der Leipziger Kunstszene nicht in Betracht gezogen, deren zum Teil sehr aktionistisches Geltungsbedürfnis allen hier in der Videokonferenz und im Livestream anwesenden Menschen wohl wirklich JEDEN Tag mal Freudentränen, mal Zornesröte ins Gesicht steigen lässt.

Von einigen geliebt, von anderen verkannt, dürfte die Graffiti-Szene der Teil in Leipzigs Kunst- und Kulturlandschaft sein, dessen Gestaltungswillen am meisten unverstanden, aber ebenso täglich erlebbar ist. Das gefällt nicht allen, aber das ist zum Teil auch so gewollt. Keine andere Kunstszene bietet ein dermaßen niedrigschwelliges Angebot zur Teilhabe, und von keinen anderen Protagonist*innen wird dieses Angebot auch so umfassend genutzt! Was heute noch als Schmiererei denunziert wird, könnte morgen schon der nächste Hype auf dem Kunstmarkt sein, obwohl dies nicht der Antrieb der beteiligten Akteur*innen ist, sondern die künstlerische Selbstverwirklichung. Aber gerade diese Akteur*innen könnten diese Umhausungen nutzen, wahrscheinlich sogar zur neuen Auseinandersetzung mit den Personen, an die mit den Denkmälern geehrt werden.

Diese Sichtweise mag verstörend sein und wird auch nicht von allen Mitgliedern in meiner Fraktion geteilt, sollte aber bei der Abstimmung mit bedacht werden.

Liebe Stadträt*innen, besonders von der CDU: So sehr ich es auch begrüße, der Graffiti-Szene neue temporäre Flächen zur Verfügung zu stellen - denn als solche würden diese Umhausungen genutzt werden -, so sehr befürchte ich jedoch, dass diese progressive Nutzung nicht im Sinne der Antragsstellung ist.

Werte Stadträt*innen, werte Menschen im Livestream. Ich möchte an dieser Stelle noch kurz auf einen anderen Punkt eingehen. Im Winter ist es meist kalt und ungemütlich. Zumindest noch, aber wer von uns weiß schon, welche Kapriolen der Klimawandel noch für uns bereithält. Das lässt die Zahl derjenigen, die sich unbedingt und begeistert in dieser Jahreszeit die Steinstatuen anschauen wollen, auf ein Minimum reduzieren. Sollte es dennoch Menschen geben, die,  beispielsweise nach zu langem Aufenthalt auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt, denn auch den wird es irgendwann wieder geben, trotzdem verwundert an einem dieser Denkmäler schwankend in ihrer Erinnerung vorbei gehen, so bietet der Alternativvorschlag der Verwaltung doch einen guten Kompromiss, sich einerseits mittels in einer Holzumfassung eingebauter Sichtfenster mit der auf dem Podest gewürdigten Person auseinanderzusetzen, andererseits jedoch die Steinstatuen in der kalten Jahreszeit zu schützen. Das war jetzt ein langer Satz, doch er musste sein. Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Unterstützung des Alternativvorschlages der Verwaltung.