Vogelschutz schon VOR dem Bau integrieren!

Michael Neuhaus

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete,
liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
liebe Vogelfans auf der Tribüne und im digitalen Neuland,

hätten sie am 21. April letzten Jahres ein Herz für Vögel gehabt, müsste ich nun nicht hier stehen. Am 21. April 2021 wurde der Antrag „Glasklar für Vogelschutz“ nämlich schon einmal abgestimmt und mit 24 Pro und 27 Gegenstimmen bei 10 Enthaltungen abgelehnt. Aber jeder macht ja mal einen Fehler. Viele Fehler passieren ja nicht mit böser Absicht, sondern aus Unwissenheit. Und zugegebener Maßen ist das Thema Vogelschutz recht komplex.

Zu meinem eigenen politischen Anspruch gehört es, Wissenshierarchien abzubauen und nicht auf meinem Fachwissen wie eine Henne auf einem goldenen Ei zu sitzen. Deswegen in aller Kürze, was sie über Vögel und Glasfassaden wissen müssen:

Erstens: Was ist ein Vogel? Ich habe eben von einer Henne auf einem goldenen Ei gesprochen. Eine Henne ist ein Vogel. Wenn sie also eine Henne kennen, und damit meine ich nicht die persönliche Bekanntschaft mit einer Henne, sondern das Konzept Henne als Tier, dann beglückwünsche ich sie recht herzlich: Sie kennen einen Vogel. Um genau zu sein: einen Hühnervogel.

Aber Vorsicht, nicht jeder Vogel ist ein Huhn. Laut Wikipedia gibt es etwa 18 000 verschiedene Vogelarten. Mehr als 300 davon kommen in Deutschland vor. 43 Prozent aller in Deutschland brütenden Vogelarten stehen auf der roten Liste.

Die rote Liste – was ist das? Nein liebe Kolleginnen und Kollegen, nur, weil Sie das Wort Huhn schon mal auf einer Liste gesehen haben, war das nicht die rote Liste. Vermutlich war es eine Speisekarte. Als rote Liste bezeichnet man eine Liste, auf der gefährdete Tier- und Pflanzenarten stehen. Geschützt sind übrigens nicht nur die Vögel auf der roten Liste, sondern alle europäischen Vogelarten.

Kommen wir nun zur zweiten spannenden Frage: Warum gehen so viele Vögel drauf und was hat das mit Leipzig zu tun? Gefahren für Vögel gibt es viele: Waschbären, Katzen, Kettensegen usw. Ganz hoch im Kurs stehen auch Glasfassaden. Knallt ein Piepmatz mit 35 Km/h, so schnell fliegt eine Amsel, gegen eine solche Glasfassade, bleibt vom Piepmatz meistens nur Piepmatsch übrig.

Trotzdem gibt es solche Glaskästen überall. Auch hier in Leipzig. So wurden beispielsweise vor dem Glaskasten in der Max-Liebermann-Straße in einem einzigen Monat 23 tote Vögel gefunden.

Das führt uns zur dritten Frage: Gibt es denn kein Gesetz, was das Töten von Tier verbietet? Doch liebe Kolleginnen und Kollegen, so ein Gesetz gibt es. Es heißt Bundesnaturschutzgesetz. Doch leider gehört das Tötungsverbot des Bundesnaturschutzgesetzes nicht zu den Dingen, die vorab bei einem Bauantrag überprüft und gegebenenfalls beauflagt werden dürfen. Stattdessen muss man für jeden Einzelfall nachweisen, dass ein Verstoß gegen das Tötungsverbot vorliegt. Konkret heißt das, dass man tote Vögel sammeln muss. Das geht erst, wenn das Gebäude bereits gebaut ist.

Das ist nicht nur unpraktikabel, sondern auch schlicht total gaga. Man stelle sich mal vor, man müsse jedes Mal einzeln nachweisen, dass lockere Geländer auf dem Dach eine schlechte Idee sind.

Das führt uns zur vierten Frage: Was können wir als Stadt hier machen? Beauflagen können wir Bauherren leider nicht, da das Tötungsverbot des Bundesnaturschutzgesetzes, wie bereits erwähnt, nicht prüfungsrelevant ist. Wir wissen aber, welche Bauherren große Glasfassaden bauen und wir wissen auch, dass Glasfassaden mit großer Wahrscheinlichkeit Vögel töten. Was verboten ist. Weil Vögel unter Schutz stehen. Was wiederum hinterher für den Bauherrn echt teuer werden kann.

Und jetzt kommt eine revolutionäre Idee: Wir sagen das den Bauenden einfach genau so. Darüber hinaus soll sich der Herr Oberbürgermeister dafür einzusetzen, dass Vogelschutz am Bau auch präventiv beauflagt werden kann. Es kann doch nicht sein, dass wir die Umweltverbände dazu verdammen, jedes Mal Vogelkadaver zu sammeln, bevor Aufkleber auf die Scheibe kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Heute haben sie die Chance ihren Fehler vom 21. April 2021 auszugleichen. Öffnen sie ihr Herz für Vögel. Stimmen sie heute für den vorliegenden Antrag und ersparen sie meinem Rotkehlen, dass ich diesen Antrag in einem Jahr nochmal zur Abstimmung stellen muss. Aber ehrlich gesagt habe ich auch immer noch keine Ahnung wieso sie damals dagegen gestimmt haben.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.