Stadtentwicklungsplan Wohnungsbau und Stadterneuerung

Siegfried Schlegel

Der Stadtentwicklungsplan als Instrument der informellen Planung hat nicht die Vernichtung ganzer Stadtteile zum Ziel.
Vielmehr sollen jene Wohngebiete hinsichtlich eigener Potentiale und notwendiger Hilfen analysiert werden, die eine Erneuerung nicht aus eigener Kraft schaffen und deshalb gezielter, punktgenauer Förderung bedürfen.

Die PDS-Fraktion hat sich in den zurückliegenden Wochen mehrfach für eine zeitnahe Beschlussfassung des Stadtentwicklungsplanes Wohnungsbau und Stadterneuerung in der Fassung der Stadtverwaltung eingesetzt, um damit eine Grundlage für die Beantragung von Wohnungsbaufördermitteln im Jahr 2001 zu schaffen. An dieser Stelle möchten wir allen an der Erstellung Beteiligten für die akribische und kompetente Erarbeitung des Plandokumentes danken.

Mit dieser Vorlage wird Neuland beschritten. Es wird zwar in vielen ostdeutschen Kommunen von der Notwendigkeit der Erstellung von Stadtentwicklungsplänen gesprochen, indessen dürften noch nicht viele vorliegen.

Die PDS-Fraktion macht ihre Zustimmung davon abhängig, dass das Ursprungsanliegen nicht verfälscht und damit konterkariert werden.

Der Stadtentwicklungsplan als Instrument der informellen Planung hat nicht die Vernichtung ganzer Stadtteile zum Ziel.

Vielmehr sollen jene Wohngebiete hinsichtlich eigener Potentiale und notwendiger Hilfen analysiert werden, die eine Erneuerung nicht aus eigener Kraft schaffen und deshalb gezielter, punktgenauer Förderung bedürfen.

Selbstverständlich sollen dabei die Identitäten eines Gebietes bewahrt, aber auch neue geschaffen werden.

Beim Studium des Stadtentwicklungsplanes wird jeder feststellen, dass der oft unterstellte Abriss nicht beschlossen wird und auch gar nicht beschlossen werden kann. Ein von der Stadt verfügter Gebäudeabriss kann bekanntlich nur im Ergebnis von verbindlichen Bauleitverfahren, z. B. von wichtigen Straßen oder in Ausnahmefällen bei unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben bei ruinösen Gebäuden durchgesetzt werden.

In der Regel kann eine Entscheidung zum Abriss also nur vom Eigentümer selbst getroffen werden. Als Eigentümer, der die Wohnung nicht nur als Wirtschafts-, sondern gleichermaßen als soziales Gut betrachtet, wird er dies auch nicht gegen die Mieter tun. Außerdem ist es unsinnig, ein intaktes und vollständig bewohntes Gebäude abzutragen.

Zum Abriss von Wohnungen vertritt die Leipziger PDS-Fraktion die Ansicht, dass es in den Altbaugebieten neben dem noch vorhandenen Sanierungs- auch einen Abrissstau gibt, da seit 1980 auf Grund der Gesetzeslage nur wenige bautechnisch völlig verschlissene Gebäude abgerissen wurden.Die Folge ist, dass in den letzten 20 Jahren kaum Wohnhäuser in Leipzig abgebrochen wurden, so dass der jährlich natürlich anwachsende Bestand bautechnisch verschlissener und mit vernünftigem Aufwand nicht mehr wiederherstellbarer Wohnungen von ca. 10.000 - 20.000 Wohnungen nicht zu niedrig angesetzt ist.

Einzelabrisse von Gebäuden, gleich welchen Baualters, sollten nur nach Absprache mit der Stadtverwaltung und den Wohnungsunternehmen sowie mit den betroffenen Mietern nach gründlicher Abwägung in Ausnahmefällen erfolgen. Wir begrüßen die Initiative der Fraktion Bündnis90/Grüne, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Wohnungseigentümer und Stadtverwaltung zu bilden. Wir meinen jedoch, dass in dieses Gremium auch Vertreter des Stadtrates gehören.

Sowohl im Alt- als auch im Neubau sollten nur einzelne komplett leerstehende und langfristig nicht vermietbare Wohngebäude teil- oder gänzlich zurückgebaut werden.

Dabei muss der Nachnutzung vor Gebäudekonservierungen oder dem Umbau mit Teilrückbau der Vorzug eingeräumt werden.

Eine Voraussetzung dazu ist die Streichung der Altschulden der zurückzubauenden Wohnflächen, die sowohl für Neu- als auch für Altbaubestände auf 150,- DM/m2 festgesetzt wurden, jedoch auf Grund der 1992/93 geltenden hohen Zinsen drastisch angestiegen waren. Ebenso ist die Bereitstellung von Bundes- und Landesfördermitteln zum Rückbau notwendig. Der Stadtrat sowie die Leipziger Landtags- und Bundestagsabgeordneten sollten sich dafür einsetzen, dass die Tilgungsfreiheit für KfW-Kredite von 5 auf 10 Jahre verlängert wird.

Einer Ideologisierung der Debatte werden wir nicht folgen. Wer Kapitalismus will, muss auch den Wohnungsmarkt wollen. Einer künstlich geschaffenen Verknappung von preiswerten Wohnbauten durch flächenhaften Abriss sanierter Sozialwohnungen aus den 30er Jahren oder von Wohngebäuden des komplexen Wohnungsbau, wie dies vor einigen Jahren die sogenannte „Pestelstudie“ forderte, werden wir nicht hinnehmen.

Von wenigen Ausnahmen aus Denkmalschutz- oder städtebaulichen Gründen abgesehen, z. B. wenn Wohngebäude an den Rändern einen Stadtteil markieren, müssen auch in Gründerzeitgebieten seit Jahren leerstehende und bautechnisch verschlissene Gründerzeithäuser zurückgebaut werden dürfen. Die frei werdenden Flächen sollten für Grünanlagen mit Sport-, Freizeit- und Erholungsangeboten sowie als Stellflächen für den ruhenden Verkehr hergerichtet werden, wie dies z. B. in Wettbewerben und im Stadtentwicklungsplan vorgeschlagen wurde.

Die PDS-Fraktion unterstützt die Absicht, dass keine Genehmigungen mehr für Wohnungsneubau im Rahmen von B- bzw. V.+ E.-Plänen sowie größerer Vorhaben nach § 34 Bau-GB erteilt werden, wenn nicht bereits vertragliche Vereinbarungen bestehen oder sich im Auslegungsverfahren nach Änderung der Bebauungsdichte befinden.

Die PDS-Fraktion erneuert ihren im Rahmen der 2. Stadtwerkstatt 1998 gemachten Vorschlag für ein befristetes Moratorium durch Investoren für den Verzicht auf Neubau in bereits genehmigten Baugebieten.

Sie begrüßt außerdem, dass Vermieter den Vorschlag aufgreifen, Wohnungen in oberen Geschossen den Mietern zu günstigen Bedingungen als Abstellräume oder als gemeinschaftlich genutzte Trockenräume zur Verfügung zu stellen, der in einer Veranstaltung des Planspiels Grünau unterbreitet wurde.

Zugleich erhebt die Fraktion die Forderung an die Regierung und die Privatwirtschaft, unter Einbeziehung der ostdeutschen Länder in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe nach Wegen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, vor allem in jenen ostdeutschen Regionen zu suchen, die durch flächendeckende Vernichtung von Industriearbeitsplätzen am meisten von Wohnungsleerstand betroffen sind.

Die beabsichtigte Schließung des Instandhaltungswerkes in Engelsdorf wäre eine erste Herausforderung.

Deshalb sollte darüber nachgedacht werden, gezielt Arbeitskräfte und ihre Familien in den besonders vom Wohnungsleerstand betroffenen Kommunen anzusiedeln.

In diesen Gebieten könnten auch überzählige Gemeinschaftseinrichtungen als wohnverträgliche Arbeitsstätten, z. B. für Informatik oder Dienstleistungen, mit geringem Aufwand wohnortnah hergerichtet werden, zumal deutsche und ausländische Wirtschaftsunternehmen in vielen ostdeutschen Regionen Niederlassungen unterhalten.Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang, dass oftmals Rentner in jene Regionen nachziehen, wo ihre Kinder und Enkel Arbeit und damit einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden haben.

Der ungezügelte Bau von Siedlungen auf der grünen Wiese zieht den Druck zum Bau von Infrastrukturnetzen und autobahnähnlichen Straßen in den Innenstädten nach sich, was wiederum den Wegzug vieler Bewohner aus diesen Verkehrsachsen bewirkt, wie nicht nur Untersuchungen, sondern die Praxis in der Georg-Schumann- oder Eisenbahnstraße zeigt.

Die Debatte muss deshalb zuerst mit der Zielrichtung geführt werden, wie füllen wir Wohnhäuser, Schulen, Kindertagesstätten oder gewerbliche Gebäude und Anlagen und erst danach sollte gefragt werden, was fangen wir mit den leerstehenden an. Auf der Weltkonferenz der Städte „Urban 21“ wurde vor wenigen Wochen in Berlin festgestellt, Städte sind wichtig – aber das Wichtigste sind die Menschen.

Die Zukunft liegt in den Städten und das neue Jahrtausend wird das Jahrtausend der Städte sein.