Rede zum Haushalt der Stadt Leipzig für die Jahre 2021 und 2022 im Leipziger Stadtrat

Rede zum Doppelhaushalt 2021/22 von Sören Pellmann

Sören Pellmann

Liebe Leipzigerinnen, liebe Leipziger,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Beigeordnete,

verehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates,

 

der nunmehr vierte Doppelhaushalt unserer Stadt steht im Jahr 2021 unter ganz besonderen Rahmenbedingungen. Es kann deshalb nicht um die bloße Kontinuität in der Abfolge bewährter Doppelhaushalte gehen, sondern um die Verknüpfung von Doppelhaushalt und Doppelstrategie. 

Wir stehen in der Verantwortung, sowohl die außerordentlichen, akuten Herausforderungen bei der Überwindung der nunmehr seit einem Jahr andauernden Coronakrise zu bewältigen als auch die Weichen für die Rückkehr zu einem dynamischen Wachstum unserer Stadt zu stellen. 

An der Einheit beider Ziele muss sich unser Handeln ausrichten. Es versteht sich, dass die Konsolidierung sehr früh beginnen muss und nicht auf das Ende eines wahrscheinlich schwierigen Zehn-Jahres-Zeitraums verlagert werden darf, der vor uns liegt. 

Seit gut einem Jahr kämpfen wir auch in unserer Stadt gegen die Corona-Pandemie. Es war unvermeidbar, dass das öffentliche und gesellschaftliche Leben fast zum Erliegen gekommen ist. In vielen Bereichen gab und gibt es einen täglichen Kampf, für das Bewältigen dieser Krise. Es wird auch noch eine gewisse Zeit dauern, bis wir sagen können: Wir haben es besiegt. Bis dahin werden von uns allen noch weitere Einschränkungen und persönlicher Verzicht folgen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Situation gemeinsam überstehen werden. Aber die Frage, die wir uns stellen, ist doch: Wird Leipzig noch die Stadt sein, welche sie vor Corona war? Auch deshalb habe ich diese Einleitung meiner Haushaltsrede vorangestellt. Weil diese Krise auch auf den städtischen Haushalt sowohl in diesem, als auch im kommenden Jahr Einfluss hat und auch (noch weitere Jahre) langfristig haben wird. 

Eines verspreche ich bereits heute: Wir werden als DIE LINKE alles dafür tun, damit Leipzig weiterhin eine lebenswerte, weltoffene, tolerante und soziale Stadt sein wird. Auch aus diesem Versprechen und der Verantwortung heraus, welche wir als Fraktion haben, sind unsere Änderungsvorschläge zum Haushalt entstanden.

 

Zur Einschätzung des vorgelegten Haushaltsplanentwurfs

Dieser Haushaltsplan ist sicherlich kein originärer Sparhaushalt. Immerhin steigen die ordentlichen Aufwendungen im Vergleich zum Jahr 2020. Die Aussage der Verwaltung, dass es keine Kürzungen geben wird, stimmt aber leider nicht. Bei den Planansätzen, u. a. des Personals, sind es im Jahr 2021 minus 3 Millionen Euro verglichen mit dem Vorjahr. Bei den Investitionen sind es in beiden Jahren fast 100 Millionen Euro weniger. 

Hier ist ein antizyklisches Gegensteuern zur pandemiebedingten Wirtschaftskrise nicht zu vernehmen. Der Verweis der Verwaltung, sich auf den Abbau der immens hohen sogenannten Haushaltsausgabereste von ca. 426 Mio. EUR zu konzentrieren, greift viel zu kurz.

Auch mit der durchdringenden Sparpolitik hinsichtlich der Personalentwicklung der Verwaltung, bspw. im Personalamt, im Verkehrs- und Tiefbauamt, im Amt für Gebäudemanagement, im Amt für Sport und beim Allgemeinen Sozialen Dienst u.a. gefährdet man auch die Zukunftsfähigkeit der Stadt. 

Wie sollen so u.a. das Mobilitätsszenario oder das integrierte Stadtentwicklungskonzept 2030 insgesamt umgesetzt werden, wenn es keine ausreichenden Stellen für die Planung und die Umsetzung der Investitionsmaßnahmen gibt? Wie wollen wir kostengünstig bauen, wenn es an bestimmten Positionen nicht im Ansatz ausreichend Personal gibt?

 

Schwerpunkte der Fraktion DIE LINKE in der Haushaltsdiskussion

DIE LINKE hat für diesen Doppelhaushalt daher sehr bewusst ihre Anträge gestellt. Für die Entwicklung und eine sichere Zukunft Leipzigs ist es uns als DIE LINKE besonders wichtig, das Verliererinnen und Verlierer der Corona-Krise, Menschen mit geringem Einkommen, finanziell schwächer Gestellte und ihre Kinder vor dem gesellschaftlichen Abstieg geschützt werden.

 

Für den zu beschließenden Haushalt benennt DIE LINKE folgende fünf strategische Schwerpunkte: 

  1. Eine langfristige Sicherung unserer städtischen Beteiligungsunternehmen u.a. das St. Georg und der Eigenbetriebe sowie keine Abstriche bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen.
  2. Verabschiedung eines Stellenplanes, der u.a. die Umsetzung der beschlossenen und zu beschließenden Investitionen langfristig sichert.
  3. Den Beschluss zum Klimanotstand und Nachhaltigkeitsszenario mit weiterem Leben erfüllen.
  4. Die sachgerechte Förderung der Vereine und Verbände, u.a. im Sport, im Bereich der Träger von Kultur und Jugendhilfe und im Sozialen.  
  5. Förderung des sozialen Wohnungsbaus u.a. durch Unterstützung der LWB, für die sozialgerechte Sanierung in den Plattenbausiedlungen in Grünau und Schönefeld-Ost und Thekla.

 

Zu erstens: Sicherung der Eigenbetriebe und keine Abstriche bei der Arbeitsmarktförderung

Für eine erfolgreiche Leipziger Beschäftigungsstrategie von am Arbeitsmarkt benachteiligten Zielgruppen muss die Stadt Leipzig den Kommunalen Eigenbetrieb Engelsdorf weiterhin in die Lage versetzen, für diese Personengruppen wirken zu können. Dabei liegt der Fokus auf Alleinerziehenden, Langzeiterwerbslosen, gesundheitlich beeinträchtigen Menschen und sonstigen Familien mit Unterstützungsbedarf. 

Angesicht der pandemiebedingten arbeitsmarktpolitischen Risiken der Jahre 2021 und 2022, welche durch derzeitige Kurzarbeitsregelungen und Hilfsprogramme noch nicht vollumfänglich absehbar sind, darf es keine Kürzung bei der Arbeitsmarktförderung geben.

 

Zu zweitens: Änderungen am Stellenplan

Wir haben seit vielen Jahren immer wieder angemahnt, dass die beschlossenen Investitionsprogramme nur vollumfänglich umgesetzt werden können, wenn auch die personelle Bearbeitung in der Verwaltung entsprechend möglich ist. 

Leider muss DIE LINKE feststellen, dass es trotz Zusagen seitens der Verwaltung weiterhin zu gravierenden Verzögerungen in den Abläufen kommt. Dabei geht es um alle Phasen der Betreuung und Begleitung der Investitionen. Hier sind schnellstmögliche Stellenaufwüchse und Besetzungen unverzichtbar. 

Die sachlich begründete Forderung meiner Fraktion DIE LINKE lautet, das Personal in der Stadtverwaltung über alle Dezernate hinweg um 50 Stellen aufzustocken. Größe und Dringlichkeit der vor uns liegenden Aufgaben z. B. in den Bereichen Umwelt, Soziales sowie Straßen- und Brückenbau zeigen, dass es sich dabei um eine völlig berechtigte und angemessene Größenordnung handelt.  

 

Zu drittens: Klimanotstand

Der Stadtrat hat den Klimanotstand ausgerufen und das ist gut. Zur Eindämmung des Klimawandels kann eine Verkehrswende ihren Beitrag leisten. Mit dem einstimmig beschlossenen Nachhaltigkeitsszenario hat der Stadtrat dazu die Grundlage geschaffen. Im letzten Jahr sind wir mit dem Rahmenplan zur Umsetzung dieses Szenarios einen weiteren Schritt gegangen.  

Dass nun die Stadtverwaltung im Haushalt 2021/2022 nicht genügend Personal einstellen will, um die vom Stadtrat gesetzten Ziele zu erreichen, ist einfach eine Missachtung unserer Beschlüsse. Hier müssen wir nachsteuern.

Nur wenn wir jetzt in die Planung der Infrastrukturprojekte gehen, werden wir bis zum Jahr 2030 überhaupt eine Chance auf neue Straßenbahnstrecken haben. Und eins ist doch klar: Wir brauchen neben bezahlbaren Ticketpreisen auch einen massiven Ausbau des Angebots. Und dafür müssen wir trotz Pandemie im Haushalt 2021/2022 die Weichen stellen.

 

Zu viertens: Vereinsförderung

Die sachgerechte Förderung der Vereine und Verbände. Das bedeutet insbesondere, dass es in den Bereichen Soziales, Sport, Kultur und Jugendhilfe zu keinen tatsächlichen Kürzungen kommen darf. Vielmehr müssen laufende Projekte weiterhin gefördert werden, auch mit Blick auf die Frage „Wie wird sich Leipzig nach der Corona-Pandemie darstellen?“. Die entsprechenden Preis- und Tarifsteigerungen sind dabei vollumfänglich auszugleichen. In diesen Bereichen ist es besonders wichtig, dass die Investitionen in die Zukunft weiterhin kürzungsfrei möglich sind. Hier wird sich am meisten zeigen, ob Leipzig nach Corona noch genauso lebenswert ist, wie davor.

 

Zu fünftens: Bezahlbares Wohnen und Stärkung der LWB

Das Thema bezahlbarer Wohnraum ist für DIE LINKE die Herausforderung einer modernen wachsenden Stadt. Bezahlbarer Wohnraum ist ein soziales Schlüsselthema mit hohem Gerechtigkeitsanspruch. Rasant steigende Bodenpreise - trotz Coronakrise - verdeutlichen den Handlungsbedarf rund um den sozialen Wohnungsbau.

Leipzig ist eine Stadt der Mieterinnen und Mietern. Daher ist dieses Thema auch ein Schwerpunkt in unseren Anträgen. Nicht umsonst haben wir im letzten Jahr für die Einführung von Erhaltungssatzungen in Teilen Leipzigs gesorgt. Dass die Stadtverwaltung es mit diesem Instrument nicht wirklich ernst meint, war bei der Einführung bereits zu spüren und dieser Eindruck setzt sich jetzt auch im Haushaltsentwurf fort. 

Wenn man wirklich will, dass die Eigentümer sich an die Regeln halten, muss man auch Vorkaufsrechte und Ersatzvornahmen in den Erhaltungsgebieten ausüben können. Ein weiterer Schwerpunkt beim Thema Wohnen ist der Sanierungsstau in den Plattenbaugebieten. Seit Jahren besteht hier ein großer Sanierungsbedarf, auch bei den Objekten der LWB. Diesen gilt es abzubauen. 

Daher soll die Bereitstellung eines städtischen Zuschusses von 2,5 Millionen Euro (Eigenkapital) in 2022 der LWB eine mietneutrale Sanierung der Bestände vor allem in Grünau, Schönefeld und Thekla schneller ermöglichen.

 

Investitionen

Investitionen von 524 Millionen Euro stehen im Plan für die Jahre 2021 und 2022. Das sind fast 100 Millionen Euro weniger als im vergangenen Doppelhaushalt, oder minus 15,8 %. Das versteht DIE LINKE nicht als zielorientiertes Management für die Zukunft Leipzigs. Hier ist eine antizyklische Vorgehensweise gefragt, die der Krise begegnet. 

Die richtige Einschätzung der Verwaltung, insbesondere von Herrn Bonew, dass die Investitionen das Fördermittelinstrument Nummer EINS sind, auch für Leipzig und die Wirtschaft insgesamt, spiegelt sich im Haushaltsplan leider nicht wider.  

 

Ein leidiges Thema: die sogenannten Haushaltsausgabereste

Schon im letzten Jahr schossen die vom Stadtrat beschlossenen aber bisher nicht umgesetzten Investitionen (Haushaltsausgabereste) von 99,3 Millionen EUR im Jahr 2012 auf über 426,2 Millionen im Jahr 2019 in die Höhe. 

Immer wieder hören wir, dass die Prozesse im sonstigen Alltag noch viel zu langsam und bürokratisch ablaufen. Eine Beschleunigung wurde schon oft in Aussicht gestellt. Den Worten müssen nun endlich Taten folgen.

 

Wie wollen wir unsere Haushaltsänderungen gegenfinanzieren?

Unsere Haushaltsanträge haben ein Volumen von insgesamt ca. 30 Mio. EUR für die Jahre 2021 und 2022. Wir sind uns als DIE LINKE bewusst, dass dieser Haushalt eine besondere Herausforderung aufweist. 

Der geplante Darlehensaufwuchs von 478 Millionen Euro im Jahr 2019 auf über 1,2 Milliarden Euro, inklusive Kassenkredite, im Jahr 2022 kann kaum beruhigend wirken. Dieser ist aber hinsichtlich des Zusammenhalts der Leipziger Stadtgesellschaft unerlässlich. 

Zudem ist klar: Ohne einen ausreichenden finanziellen Schutzschirm von Bund und Land werden sich die Probleme im Haushalt weiter verschärfen. Es ist uns wichtig, dass der Beschluss des Stadtrates aus dem November 2020, auf Antrag meiner Fraktion, der eine langfristige Kreditaufnahme der pandemiebedingten Defizite und der geplanten Investitionen vorsieht, auch umgesetzt wird. 

Dabei sehen wir für die Jahre 2021 und 2022 trotz enorm wachsender Darlehensaufnahme geringere Zinsaufwendungen im Haushalt. Außerdem wollen wir im Ergebnishaushalt die Defizite aus den Überschüssen im Haushalt der vergangenen Jahre (von 2012 – 2019 ca. 767 Mio. EUR) ausgleichen.

Zum Abschluss

DIE LINKE wird in den kommenden Wochen in den Ausschüssen unsere Änderungsanträge zum Haushalt zur Abstimmung bringen. Im Ergebnis dieser Abstimmungen – insbesondere zu unseren strategischen Anträgen - wird DIE LINKE beraten, wie wir uns dann abschließend zur Haushaltsabstimmung verhalten. Es wird aber in jedem Fall eine verantwortungsvolle Entscheidung für Leipzig sein.