Leipzig kann auf seinen bisherigen Weihnachtszirkus durchaus stolz sein!

Dr. Volker Külow

Heute trifft der Stadtrat eine für die Zukunft des Zirkuswesens in Leipzig ganz wichtige Entscheidung. Es kann dafür nicht schaden, einen kurzen Blick zurück in die Vergangenheit werfen. Der Zirkus verkörpert mit seiner jahrhundertelangen Geschichte eine eigenständige Form der darstellenden Künste. Unsere Fraktion begrüßte daher die Entscheidung der Kulturministerkonferenz Mitte März, gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien die Auswahlempfehlungen des Fachkomitees Immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission zu bestätigen und den Zirkus in die entsprechende Liste neu aufzunehmen.

Auch in Leipzig kann das Zirkuswesen und seine Vorformen auf eine stolze Geschichte verweisen, die selbst schwierigste Zeitläufe überstanden hat. Das deutschlandweit einmalige Clown-Museum Leipzig in der Breiten Straße 22 legt davon beredt Zeugnis ab. Viele ältere Leipzigerinnen und Leipziger erinnern sich auch noch an den früheren Zirkus Aeros. Auf dem Gelände des im Zweiten Weltkrieges zerstörten Krystall-Palastes nahm er bereits im Dezember 1945 in einem schnell errichteten Neubau unter Leitung von Cliff Aeros (bürgerlich Julis Jäger) seinen Spielbetrieb wieder auf. Leider starb der legendäre Zirkusgründer und kreative Artist Anfang 1952 im Alter von erst 62 Jahren; sein Grab befindet sich auf dem Südfriedhof. Der bis dahin erfolgreiche Zirkus geriet daraufhin etwas ins Trudeln. Von 1952 bis 1960 befand sich der Zirkus mit seinen immerhin 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter dem Namen „VE Zirkus Aeros der Stadt Leipzig“ daher in Rechtsträgerschaft der Stadt Leipzig, bevor er zum 1. Januar 1961 im VEB Zentralzirkus der DDR aufging.  

Ich erinnere an diese Fakten, um den Bogen zu spannen zu dem, was der neue Zirkus AEROS hier auf dem Festplatz am Cottaweg seit Beginn des neuen Jahrtausends geleistet hat. AEROS hat die letzten 17 Jahre lang mit viel Herzblut hier seinen Weihnachtszirkus durchgeführt und nicht zuletzt auch wegen seiner erschwinglichen Eintrittspreise eine treue Anhängerschaft gewonnen, wie mehrere tausend Unterschriften für die Petition „Für den Erhalt des Leipziger Weihnachtszirkus AEROS“ bezeugen, die dem Marktamtsleiter zu Beginn des Jahres übergeben wurden. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass der Zirkus seit vielen Jahren eine enge Kooperation mit der Leipziger Tafel pflegt und in jeder Saison hunderte Karten für arme Familien spendet. Last but not least möchte ich den viel zu frühen Tod des langjährigen Zirkusdirektors und Vaters der jetzigen Betreiber, Bernhard Schmidt, Anfang 2022 nicht unerwähnt lassen; auch sein Grab befindet sich auf dem Südfriedhof.   

Mit diesem Wissen wurde unsere Fraktion kurz vor Weihnachten 2022 doch recht hellhörig, als über die Presse bekannt wurde, dass die Verwaltung völlig überraschend das Aus für den traditionsreichen Leipziger Weihnachtszirkus von AEROS beschlossen hatte und nunmehr mit einem niederländischen Großunternehmen für einen sogenannten Weltweihnachtszirkus einen neuen Vertrag über mehrere Jahre schließen wollte. Die damit angestrebte Orientierung auf ein hochkarätigeres und natürlich auch zahlungskräftigeres Publikum einschließlich entsprechender touristischer Zielgruppen erschloss sich uns allerdings nicht; „mehr Leipzig, weniger Hypzig“ lautet hier unser entsprechendes Credo. Übriges nicht nur in Zirkusfragen.  

Mit unserem Ende Dezember eingereichten Antrag forderten wir daher den Stopp der Verhandlungen mit Stardust International und die Einbeziehung des Stadtrates in die Vergabe des Leipziger Weihnachtszirkus durch ein transparentes, schlankes und beschränktes Vergabeverfahren. Mit unserer Initiative wollten wir darüber hinaus den Weg zu einer noch höheren Qualität der künftigen Zirkusdarbietungen sowie die Einbeziehung sozialer Aspekte (z.B. Preisgestaltung, Inklusion, Vergütung) und Fragen der Nachhaltigkeit (z.B. Klimabilanz, regionale Wirtschaftskreisläufe) einschlagen.

Anfang Februar änderte sich die Situation durch die Absage der Niederländer nochmals schlagartig. Kurz darauf erschien der Verwaltungsstandpunkt, der viele Intentionen aus unserem Antrag aufgriff, wenngleich die unter Punkt 2 genannten insgesamt 15 „Auswahl- und Zuschlagskriterien als Anforderungen an einen modernen, zukunftsträchtigen Zirkus“ uns in ihrer Gesamtheit noch immer etwas überambitioniert erscheinen. Da sich Aeros dieser Herausforderung aber stellen will, sind wir bereit, den Verwaltungsstandpunkt zu übernehmen; das gilt ebenso für den Änderungsantrag der Grünen bezüglich des Tierwohls. Den Antrag von Stadtrat Kumbernuß lehnen wir hingegen ab, Pferdedressur halten wir auch in einem modernen Zirkus für legitim. Beim Änderungsantrag von CDU-Stadtrat Falk Dossin lehnen wir die Punkte 1 und 3 ab, würden aber Punkt 2 übernehmen - nicht zuletzt, weil wir sein persönliches Engagement für den Zirkus Aeros in den letzten Monaten durchaus schätzen. Die von ihm beantragte Aufgabe des Standortes Cottaweg halten wir jedoch ebenso für falsch wie eine einmalige Vergabe für die Jahre 2024-2029.    

Damit komme ich zum Schluss: Leipzig kann auf seinen bisherigen Weihnachtszirkus durchaus stolz sein. Mit der heutigen Beschlussfassung ermöglichen wir, den bisherigen Weg auf höherem Niveau fortzusetzen und bieten zugleich dem Zirkus Aeros eine faire Chance, dabei aktiv mitzuwirken. Auf das Ergebnis zu Weihnachten 2023 sind wir alle gespannt.