Kindertagesstättenbedarfsplan

Rüdiger Ulrich

Bei der Stadtverwaltung allerdings scheint sich die Freude darüber in Grenzen zu halten. Sie ist nun mit Problemen konfrontiert, die sie zu dem Zeitpunkt, als es um die Schließung von Kindertagesstätten ging, nicht wahrhaben wollte. Wir können heute froh sein, dass der Stadtrat nicht allen Schließungsabsichten der Verwaltung gefolgt ist (Parallelen zur Schulentwicklungsplanung). Gegenüber dem Planungszeitraum 2000/2001 hat sich der Platzbedarf um ca. 950 Plätze erhöht.

Es ist, wie ich finde, eine sehr erfreuliche Tatsache, dass der Geburtenanstieg, der 1996 eingesetzt hat, in den nächsten Jahren – so die Prognose des Amtes für Statistik und Wahlen – anhalten wird. Zudem hat sich der Prozess der Abwanderung von jungen Familien mit Kindern verlangsamt.

Bei der Stadtverwaltung allerdings scheint sich die Freude darüber in Grenzen zu halten. Sie ist nun mit Problemen konfrontiert, die sie zu dem Zeitpunkt, als es um die Schließung von Kindertagesstätten ging, nicht wahrhaben wollte. Wir können heute froh sein, dass der Stadtrat nicht allen Schließungsabsichten der Verwaltung gefolgt ist (Parallelen zur Schulentwicklungsplanung). Gegenüber dem Planungszeitraum 2000/2001 hat sich der Platzbedarf um ca. 950 Plätze erhöht. Treffen die Prognosen zu – alle Anzeichen sprechen dafür -, dann reicht spätestens 2004/2005 das Platzangebot in den Kindertagesstätten der Stadt Leipzig nicht mehr aus. Das bedeutet, dass dem Rechtsanspruch auf den Besuch eines Kindergartens für alle Kinder ab Vollendung des 3. Lebensjahres bis zum Schuleintritt nicht mehr entsprochen werden kann. Schon jetzt sind die Plätze in den Stadtbezirken Mitte, Südost, Süd, Alt-West und Nord ausgebucht, was letztendlich bedeutet, dass für einige Eltern wohnortnahe Angebote nicht zur Verfügung stehen.

Aber wir sind, wenn es um die Versorgung mit Kita-Plätzen geht, die Besten – so ist aus dem Dezernat von Herrn Jung zu hören. Anstatt diese Tatsache als Aushängeschild für die Stadt Leipzig zu nutzen, wird ernsthaft darüber nachgedacht, wie über die Senkung der Qualitätsstandards in den Kindertagesstätten Gelder eingespart werden können. Herr Kaminski, Beigeordneter für Finanzen, bringt das in seiner Stellungnahme zur Vorlage auf den Punkt. Ich zitiere: „Die Sicherung eines Qualitätsstandards, wie in den Planungsprämissen angezeigt, darf nicht zu höheren Ausgaben führen. Ebenso dürfen der angezeigte höhere Bedarf in der Zukunft sowie die Änderung der Finanzierung des Freistaates nicht zu höheren Ausgaben führen. Hier gilt es Einsparungen an anderer Stelle vorzunehmen, eventuell Standards zu senken (Öffnungszeiten, Ferienbetreuung, Ferienfahrten, wohnortnahe Bereitstellung) oder aber die Möglichkeit eines höheren Elternbeitrages zu prüfen.“ Das letzte allerdings geht nicht.

Die Eltern in Leipzig zahlen seit eh und je entsprechend der gesetzlichen Rahmenvorgaben und anders als in vielen anderen Kommunen in Sachsen die höchstmöglichen Beitragssätze. Das hatte ich Ihnen, Herr Kaminski, aber schon in meinem Redebeitrag zur Stadtratssitzung im März erläutert. Ihr Kollege Jung ist da lernfähiger. Nachdem auch er zunächst versucht hatte, die Kürzungen der Landesregierung zu einem großen Anteil an die Eltern weiter zu geben, musste er sich revidieren.

Übrigens ist auch mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf für ein neues Kindertagesstättengesetz eine weitere Erhöhung der Elternbeiträge nicht möglich. Im ersten Entwurf sah das noch anders aus, hier haben die zahlreichen Proteste einiges bewirkt.

Wie wird aber nun in der Stadt Leipzig die Zielvorgabe des Beigeordneten für Finanzen umgesetzt? Aussagen finden Sie dazu auf Seite 11 der Vorlage: „Trotz des gegenwärtigen Platzbedarfs von Krippenplätzen in Höhe von 47,5 % wird für das Folgejahr die Bedarfsquote auf 44 % festgelegt. Damit wird die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses zur Kindertagesstättenplanung für den Zeitraum 2000/2001 konsequent fortgesetzt. (Diesen Beschluss gibt es in der Form nicht.) Anspruch auf einen Krippenplatz haben zukünftig

- Kinder, deren Eltern berufstätig sind

- oder sich in Aus- und Weiterbildung befinden sowie

- Familien mit besonderem Hilfebedarf.“

Nach unserer Interpretation werden mit der Festlegung von Zugangskriterien für einen Krippenplatz die gesetzlichen Regelungen des Kindertagesstättengesetzes nicht mehr eingehalten.

Dort heißt es im § 3 (2): „... Es gehört zu den Pflichtaufgaben des örtlichen Trägers der Jugendhilfe, für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertageseinrichtungen zur Betreuung von Kindern unter 3 Jahren und für schulpflichtige Kinder bis zur Vollendung der 4. Klasse zu sorgen...“ Ich wiederhole noch einmal, der Bedarf liegt bei 47,5 %. Diese Zahl müsste also für die Bedarfsplanung zugrunde gelegt werden. Plätze stehen aber nur für 44 % der Kinder zur Verfügung. Das ist kein bedarfsgerechtes Angebot. Ca. 500 Eltern werden aufgrund der Zugangskriterien ihre Kinder nicht mehr in Krippen unterbringen können. Für diese Eltern verschlechtern sich damit auch die Chancen auf einen Arbeitsplatz. Für Herrn Kaminski kein Problem, schließlich ist die Kindeserziehung „eine klassische Aufgabe der Familie“. Deshalb sollen die Eltern (gemeint sind natürlich die Frauen) ihre Kinder wenigstens in den ersten drei Jahren zu Hause behalten. Alleinerziehende Frauen oder auch Elternpaare, die nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt ohne Berufstätigkeit bestreiten sollen, sehen das natürlich anders. Darüber hinaus macht es ja auch aus pädagogischer Sicht Sinn, gerade Kinder aus Elternhäusern, wo die Eltern arbeitslos sind, für einige Stunden am Tag außerhalb der Familie in der Gemeinschaft von anderen Kindern zu betreuen.

Herr Oberbürgermeister, im Herbst vergangenen Jahres haben Sie aus Protest gegen die Kürzungsabsichten der Landesregierung in Leipzig symbolisch eine Kindertagesstätte geschlossen. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie auch in Ihrem Verantwortungsbereich entsprechend des Mottos der von Ihnen unterstützten Aktionswoche Ihrer Partei „Keine Kürzungen bei den Kurzen“ handeln, zumal Sie auf die Einhaltung der Gesetzlichkeiten zu achten haben.