Haushaltsplanentwurf 2000

Dr. Lothar Tippach

„Städte in Not!“ Dieses Motto ist einer Resolution des Deutschen Städtetags entnommen. In ihr heißt es: „Bund und Länder haben den Städten in den letzten Jahren umfangreiche Zusatzlasten aufgebürdet, ohne gleichzeitig für den notwendigen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Die Städte sind nicht in der Lage und nicht willens, Einsparungen im Bundeshaushalt zu finanzieren.

„Städte in Not!“ Dieses Motto ist einer Resolution des Deutschen Städtetags entnommen. In ihr heißt es: „Bund und Länder haben den Städten in den letzten Jahren umfangreiche Zusatzlasten aufgebürdet, ohne gleichzeitig für den notwendigen finanziellen Ausgleich zu sorgen. Die Städte sind nicht in der Lage und nicht willens, Einsparungen im Bundeshaushalt zu finanzieren. Der Deutsche Städtetag fordert Bund und Länder auf, die durch das Sparpaket der Bundesregierung geplante Verlagerung von Sozialausgaben auf die Kommunen zu revidieren ... “ Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es sich um eine Reaktion auf die Sparmaßnahmen der gegenwärtigen Bundesregierung handelt. Weit gefehlt! Motto und Worte sind der Resolution der außerordentlichen Hauptversammlung des Deutschen Städtetags am 18. Oktober 1993 in Bonn entnommen. Der Unterschied zu 1993 besteht darin, dass die Bundesregierung gewechselt hat und die damals an der Seite der protestierenden Kommunen stehenden Politiker aus SPD und Bündnis90/Die Grünen heute die Regierung bilden. Ansonsten könnten diese Zeilen in der Tat heute geschrieben worden sein. Allein für die Stadt Leipzig würden die sich aus dem Haushaltssicherungsgesetz ergebenden jährlichen Auswirkungen eine Erhöhung des Ausgabevolumens um 25 Mio. DM betragen (zusätzliche Sozialhilfeleistungen durch den Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe – 5 Mio. DM; Rückzug des Bundes aus der Finanzierung des pauschalierten Wohngelds für Sozialhilfeempfänger – 14 Mio. DM; Einbeziehung der Kommunen in die Finanzierung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende – 6 Mio. DM). Zur Deckung dieser zusätzlichen Ausgaben wird dann im Haushaltsentwurf 2000 der Stadt Leipzig eine Anhebung des Hebesatzes für die Grundsteuer B um 30 Punkte vorgesehen. Mit Recht kann deshalb von einem Verschiebebahnhof zu Lasten der Kommunen bzw. der Bürger gesprochen werden. Es ist leicht zu sparen, wenn anderen in die Tasche gegriffen wird! Im Hinblick auf die Finanzpolitik des Freistaats gegenüber den Kommunen ist die Situation nicht anders. In einer Bilanz der Finanzsituation sächsischer Städte, Gemeinden und Kreise hat die SPD-Fraktion der vergangenen Legislaturperiode unter Bezug auf die jährliche Finanzausgleichsgesetzgebung festgestellt: „Mit dieser Politik der Finanzverteilung zu Lasten der Städte, Gemeinden und Kreise ist es der Staatsregierung zwar gelungen die Verschuldung des Freistaats Sachsen niedrig zu gestalten, der Finanzautonomie der sächsischen Kommunen und mit ihr der gesamten kommunalen Selbstverwaltung, dem Herzstück unserer Demokratie, droht aber schwerer Schaden.“ Fast auf den Tag genau vor einem Jahr habe ich von dieser Stelle mit Bezug auf die Koalitionsvereinbarung meine Hoffnung ausgedrückt, dass es mit der dringend notwendigen Gemeindefinanzreform vorwärts gehe. Auch diese Erwartungen sind dahin. Was nützt das Bekenntnis zur Einhaltung des Konnexitätsprinzips, d. h. Aufgabenübertragung und Ausstattung der Kommunen mit Finanzmitteln sollen in Übereinstimmung stehen, wenn dies in der Praxis Schall und Rauch bleibt. Wir unterstützen Sie, Herr Oberbürgermeister, wenn Sie als Stadtoberhaupt der größten ostdeutschen Stadt vernehmlich eine Veränderung der Politik gegenüber den Kommunen einfordern, so wie es im Wahlkampf von der regierenden Berliner Koalition versprochen worden ist.Für die Beurteilung des Haushaltsentwurfs sollen folgende Kriterien gelten:Ø Zukunftsgerichtetheit des HaushaltsDabei sind für uns solche Schwerpunkte wichtig, wie die Sicherung von Handlungsspielräumen der Stadt in den folgenden Jahren und die Reaktion des Haushalts auf die beschäftigungs- und regionalwirtschaftliche sowie soziale Situation in Leipzig. Ø Förderung einer bürgerfreundlich, effizient arbeitenden VerwaltungØ Investitionstätigkeit, die auf Substanzerhalt und -entwicklung gerichtet ist, d. h. Instandhaltung kommt vor Neubeginn von Maßnahmen. Neuinvestitionen sollen nur dann begonnen werden, wenn ihre Finanzierung über die gesamte Zeit gesichert ist.Zu einigen ausgewählten Schwerpunkten:Erstens. Zunächst eine Gesamtsicht auf den Haushalt. Der Haushaltsentwurf wird vor allem durch die Haushaltskonsolidierung bestimmt. Ihr Ergebnis sollte eine „spürbare Einschränkung im personellen und sächlichen Aufwand für eine unveränderte Leistungserbringung“ sein. Dies wurde vom Kämmerer zur Einbringung des Haushalts wiederholt Nicht nur die Stellungnahme des Personalrats Stadtverwaltung zeigt ein anderes Bild. Das ist auch im Haushaltsentwurf sichtbar. Die Wahrheit ist, dass es zu Leistungseinschränkungen kommen wird. Wer etwas anderes suggeriert, stellt die eigene Glaubwürdigkeit infrage. Wir haben seit langem gefordert, dass der Prozess der Aufgabenbestimmung auf der Grundlage einer umfassenden Aufgabenkritik in die Gänge kommt. Daraus sich entwickelnde Aufgabenstandards, soweit sie nicht, wie im übertragenen Bereich vorgezeichnet sind, müssen Grundlage der Ressourcenplanung sein. Wir anerkennen, dass dieser Prozeß Raum gewinnt. Er muß als grundlegendes Element der Verwaltungsmodernisierung mit der Zielstellung der Herausbildung einer bürgerfreundlich, effizient arbeitenden Verwaltung verstanden werden. Für uns ist die Achillesferse, dass die Haushaltskonsolidierung die Verwaltungsmodernisierung bestimmt. Da im Rahmen der Haushaltskonsolidierung ein massiver Personalabbau betrieben wird, wirkt das demotivierend auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Beteiligung an der Reform. Eine Verwaltungsreform setzt nach unserem Verständnis jedoch gerade deren Engagement voraus. Dazu müssen Rahmenbedingungen, wie eine langfristige Personalentwicklungsplanung und tarifvertragliche Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung geschaffen werden. Wir werden jeden Schritt in dieser Richtung unterstützen. Wir verweisen auch auf unsere Stellungnahme in der Ratsversammlung am 18. November 1999 zur Haushaltskonsolidierung (Stelleneinsparung). Die Spitzenmeldung des Kämmerers bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs 1999 war, dass die Nettoneuverschuldung 1999 bei Null liegen wird. Damals stellten wir fest, dass dies eine nur scheinbar gute Botschaft war. Im Jahre 2000 wird die Nettoneuverschuldung wieder auf 87,4 Mio. DM ansteigen. Darin kann auch nicht die von uns begrüßte Absenkung der geplanten Kreditaufnahme von 150 Mio. DM auf 145 Mio. DM etwas ändern. Hinzu kommen im Jahre 2001 und 2003 jeweils endfällige Darlehen in Höhe von je 100 Mio. DM. Das bei sinkenden Rücklagen und verringerter Tilgungsvorsorge. Zu beachten ist, dass ein großer Teil der Rücklagen zweckbestimmt ist. Die Eigenfinanzierungskraft der Stadt geht weiter zurück. Vor einem Jahr habe ich aus gleichem Anlass an gleicher Stelle mit Bezug auf den Stadtwerkeanteilsverkauf die rhetorische Frage gestellt, was künftig verkauft werden soll, um aus der Schuldenfalle herauszukommen. Als Lösung bietet der Kämmerer jetzt u. a. das Nachdenken über den Verkauf von Beteiligungen an. Wenn der Kämmerer dies sagt, dann hat er schon nachgedacht. Das heißt im Klartext, und so offen wurde darüber in der Vergangenheit noch nicht gesprochen, den Verkauf städtischer Beteiligungen zur Lösung der Haushaltsprobleme fortzusetzen. Dieser Weg ist, wie die Kreditaufnahme, ein Weg, der eine nur eine scheinbare Problemlösung zu Lasten der Zukunft darstellt. Dringend ist eine noch stärkere Prioritätensetzung in den Investitionen, wobei für uns Erhalt vor Fortführung, Fortführung vor Neubeginn von Vorhaben kommt. Nun ist der Wahlmarathon vorbei, der in Leipzig mit den Oberbürgermeisterwahlen begonnen hatte und ab 1. Januar 2000 werden eine Reihe von Gebühren, Preisen, Beiträgen und Steuern steigen. Ein Schelm, der Arges dabei denkt! In der Rede zum Haushaltsentwurf 1997 haben wir eine Beispielsrechnung für die durchschnittliche Belastung einer jungen Familie mit zwei Kindern aus Grünau vorgenommen. Wie geht es dieser, unserer statistischen Durchschnittsfamilie, im Jahre 2000, so beide noch in Arbeit sind und ihre Arbeit behalten? Sie hatte 1998 statistisches durchschnittliches Monatseinkommen von 4.492 DM. Ihre Betriebskosten wird etwa jährlich um rd. 470 DM steigen. Darin sind eingerechnet die Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B (18 DM/a), die Anhebung der Grundgebühren für Müll (18 DM/a), die Erhöhung der Wasser- und Abwasserpreise (160 DM/a), geplante Reduzierung des Essenzuschusses (75 DM/a), weitere Betriebskostensteigerungen, z.B. Heizkosten durch Ökosteuer (ab 1. Oktober 2000), Straßenreinigungskosten usw. (200 DM/a). Die in der Presse angekündigten Tariferhöhungen der LVB sind hierin nicht enthalten, wie andere Positionen auch. Es geht uns nicht darum ein Horrorszenarium zu zeichnen, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass jede einzelne Veränderung der Preise usw. nicht allein betrachtet werden kann. Nach dem alten deutschen Sprichwort „Kleinvieh macht auch Mist!“ addieren sich die Belastungen. Auch deshalb werden wir einer Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B nicht zustimmen. Es ist auch hier auf den § 73 (3) der Sächsischen Gemeindeordnung hinzuweisen, der vorschreibt, dass die „Gemeinde ... bei der Einnahmebeschaffung auf die wirtschaftlichen Kräfte ihrer Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen“ hat. Diesen Nachweis hat der Kämmerer bisher nicht geführt. In der Expertise zur „Sozialhilfeentwicklung in der Stadt Leipzig-Vergleichsanalyse mit den Städten Dresden und Chemnitz sowie Ansatzpunkte für eine Steuerung“ vom März 1999 wird z. B. festgestellt, dass der Anteil der Familien mit sehr geringem Haushaltsnettoeinkommen, d.h. unter 2.500 DM/monatlich in Leipzig deutlich höher ist (22,8 %) als in Chemnitz (13,1 %) und in Dresden (18,6 %). Die PDS-Fraktion tritt für sozial- und wirtschaftsverträgliche Preise, Gebühren, Beiträge und Tarife ein. Dabei sind die städtischen Unternehmen, die Stadt aber auch die Landesregierung gefordert:Ø Wenn die Müllpreise steigen, dann hat die Fehlentscheidung zur Deponie Cröbern einen gehörigen Anteil. Die PDS-Fraktion hat vergeblich gegen diese Deponientscheidung angekämpft. Für diese Entscheidung ist jedoch vor allem die Landesregierung verantwortlich. Wir fordern, dass sie jetzt auch zu ihrer Verantwortung stehen muß.Ø Eine entscheidende Ursache für die Preisentwicklung im Wasser- und Abwasserbereich sind die Investitionserfordernisse. Es besteht nach wie vor ein hoher Investitionsbedarf für die Abwasseranlagen sowie die Rohr- und Kanalnetze, der vor allem durch einen hohen Sanierungsstau verursacht ist. Die Förderpolitik des Freistaats ist jedoch in den letzten Jahren hinsichtlich der Rohr- und Kanalnetze an den großen Städten weitgehend vorbeigegangen, um notleidende Abwasserzweckverbände zu sanieren. Wir fordern die Landesregierung auf ihre Förderpraxis zu korrigieren.Einige Anmerkungen zu den neuen Ortsteilen. Der Haushaltsplan 1999 war, was die Einordnung der neuen Ortsteile betrifft ein Übergangshaushalt. Im HHPL 2000 sind im Unterschied dazu mit separaten Planungen für neue Ortsteile Mittel in die Budgets der Fachämter eingestellt oder sie sind auf dem Weg. Nach wie herrscht große Unsicherheit in den Fachämtern zur Datenausgangslage. Wir erwarten, dass das Jahr 2000 genutzt wird, um bei Wahrung der Transparenz und unter Mitwirkung der Ortschaftsräte eine Qualifizierung der Planung zu erreichen. Im Vorbericht und an anderer Stelle wird behauptet, der Verpflichtung aus den Eingliederungsverträgen der A-Gemeinden für das Jahr 2000 sei entsprochen. Es fehlen aber z. B. die Straßenbaumaßnahmen in Wiederitzsch. Was fehlt noch?Zweitens. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Auf dem Leipziger Arbeitsmarkt zeichnet sich 1999 eine deutlich schlechtere Entwicklung ab als in Sachsen insgesamt. Im Hauptamt Leipzig liegt die Arbeitslosenquote mit 17,9 % zum ersten Mal seit 1990 um 1,4 % über der Sachsens (Angaben für Oktober 1999). Gegenüber dem Vorjahr stieg sie um 2,8 %. Im Hauptamt Dresden stieg die Arbeitslosenquote nur um 1,4 % auf 15,9 % und im Hauptamt Chemnitz ging die Quote um 0,4 % auf 17,3 % zurück. Diese Entwicklung ist nicht nur auf den Rückgang von Arbeitsförderungsmaßnahmen zurückzuführen. Es sind auch strukturelle Probleme, die zu dieser Entwicklung geführt haben. Bekanntermaßen ist der Anteil des verarbeitenden Gewerbes in Leipzig sehr stark zurückgegangen. Die Zahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe verringerte sich um 14 %. Etwa zwei Drittel der abhängig beschäftigten Erwerbsbevölkerung war Ende 1997 in einem Dienstleistungsberuf tätig. Nicht einmal jeder Vierte arbeitete in einem Fertigungsberuf. Hinzu kommt, dass seit 1991 die durchschnittliche Beschäftigtenzahl der Betriebe im verarbeitenden Gewerbe kontinuierlich zurückgegangen ist. (1991 = 315 Beschäftigte; 1999 = 78 Beschäftigte). Es gibt viele Klein- und Kleinstbetriebe, die den aktuellen Marktschwankungen in besonderem Maße und oft bis an den Rand des eigenen Überlebens ausgeliefert sind. Was fehlt, ist ein starker Mittelstand, also möglichst viele Betriebe mit einem Mitarbeiterstamm von deutlich über 100 Beschäftigten. Unter diesen Bedingungen werden die positiven Beschäftigungseffekte im verarbeitenden Gewerbe durch den Rückgang der Beschäftigten im Bau- und Dienstleistungsgewerbe überlagert. Die Beseitigung dieses strukturellen Problems ist für eine ausgewogene Wirtschaftsentwicklung dringend geboten. Weitere Ursachen liegen auch im Ungleichgewicht der regionalen Förderung des Freistaats Sachsen. Der Regierungsbezirk Leipzig liegt in Förderprogrammen wie Förderung-Gemeinschaftsaufgabe, Ausfallbürgschaften, Liquiditätshilfedarlehen, Rettungs- und Umstrukturierungsdarlehen an letzter Stelle. Dies ist es auch eine Frage der Gewichtung der sächsischen Landesregierung. In diesem Zusammenhang unterstützen wir nachdrücklich die Forderung an die Bundesregierung, wichtige infrastrukturelle Projekte des Bundesverkehrswegeplans, wie die A 38, A 72, den ICE-Anschluss des Flughafens Leipzig-Halle und den S-Bahn-Ausbau Leipzig-Halle nicht infrage zu stellen und zügig zu realisieren. Diese Projekte sind für die nachhaltige regionale Entwicklung dringend erforderlich. Wir unterstützen sehr alle Anstrengungen im Rahmen der kommunalen Beschäftigungs- und Wirtschaftsförderung für Neuansiedlungen, die gezielte Unterstützung von Existenzgründungen und vor allem die Entwicklung der bestehenden Unternehmen. Wir meinen aber, dass es gerade deshalb nicht verständlich ist, wenn die Umsetzung wichtiger Instrumente durch den Beigeordneten für Wirtschaft auf sich warten läßt. So sollten aus dem Erlös des Stadtwerkeanteilsverkaufs 150 Mio. DM für die Technologie- und Innovationsförderung eingesetzt werden. Im Rahmen einer Stiftung bzw. eines Fonds sollten Weichen mit dem Ziel der Verbesserung von arbeitsmarkt- und regionalwirtschaftlicher Entwicklung gestellt werden. Inzwischen sind eineinhalb Jahre vergangen und Ergebnisse sind bisher nicht erkennbar. Hoffnung ist ja noch. Mit dem Antrag Nr. III/A 30 vom 15.11.1999 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird der Faden wieder aufgenommen. Ein zweites Beispiel. Im Januar 1999 fasste der Stadtrat fußend auf einem Antrag der Fraktionen B90/Die Grünen und der PDS einen Beschluß zur Beförderung Leipziger Produkte (Verkaufsinitiative Leipziger Produkte). Auch hier können wir kaum Bewegung erkennen. Neben dem 1. Arbeitsmarkt kommt der aus öffentliche Mitteln geförderten Arbeit eine nach wie vor bedeutsame vor allem soziale Funktion zu. Der Betrieb für Beschäftigungsförderung ist das wichtigste Instrument der Stadt. Wir unterstützen nachdrücklich alles, was zur stabilen Weiterführung dieses Betriebs in der eingetretenen komplizierten Situation notwendig ist.Drittens. Zur Kinder- und Jugendarbeit. Wie in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung auch, befindet sich die Jugendhilfelandschaft der Stadt Leipzig in einem Umstrukturierungsprozess. Ausdruck dessen ist die geplante Umstrukturierung der Verwaltung des Jugendamtes, die Gründung des Eigenbetriebes Verbund kommunaler Kinder- und Jugendhilfe, die Vielzahl der Übergabe von Einrichtungen in eine andere Trägerschaft, die Neustrukturierung der allgemeinen sozialen Dienste (ASD) usw. Soweit diese Maßnahmen letztendlich dazu führen, die hohen Anforderungen und Erwartungen an Fachlichkeit und Qualität zu erfüllen sowie den großen Bedarf der Bürger an Beratung und Unterstützung abzusichern, unterstützen wir diesen Prozess. Im Moment haben wir allerdings den Eindruck, dass vorrangig Kostenfaktoren das Handeln bestimmen. Die Streichung von 11 Stellen beim ASD – obwohl die neuen Organisationsstrukturen noch gar nicht entwickelt sind und im Lebenslagenreport vor weiterem Stellenabbau in diesem Bereich gewarnt wird – und die Umstrukturierung der Verwaltung des Jugendamtes, ohne vorher eine umfassende Aufgabenkritik vorgenommen zu haben (Abbau von 21 Stellen), sind Ausdruck dessen. Zum anderen wird hier ein Organisationsmodell von oben angeordnet, ohne dass sowohl Mitarbeiterinnen aller Ebenen und Jugendhilfeausschuss als ein Glied, der zweigliedrigen Behörde Jugendamt, einbezogen waren. Die bedarfsgerechte Bereitstellung von Fördermitteln für freie Träger der Jugendhilfe bereitet von Jahr zu Jahr mehr Probleme. Den ständig steigenden Aufgaben ist das Fördermittelbudget nicht mehr gewachsen. Wenn der Beigeordnete Jung bei jeder Gelegenheit betont, dass in diesem Jahr mehr Mittel eingestellt sind als im vergangenen, so muss man wissen, dass diese scheinbare Erhöhung durch die Übergabe von Einrichtungen in freie Trägerschaft durch Tariferhöhungen, durch die Übernahme von Aufgaben aus anderen Ämtern, durch die Eingemeindungen und durch die Umsetzung der Fachstandards für die verschiedenen Leistungen der Jugendhilfe bereits aufgebraucht ist. Die Förderung von notwendigen neuen Projekten, z. B. in der Jugendberufs- bzw. Drogenhilfe, bedeutet automatisch die Streichung von anderen bewährten Projekten. Wer kinder-, jugend- und familienfreundliche Kommune sein will, muss hier eindeutig Prioritäten setzen. Im Haushaltsplanentwurf 2000 ist das nicht zu erkennen. Wir halten es für dringend erforderlich, für die Förderung der freien Träger der Jugendhilfe weitere 500 TDM zur Verfügung zu stellen. Mit dem gegenwärtigen Ansatz sind die vom Jugendhilfeausschuss beschlossenen Leistungskriterien, in denen verbindliche Grundlagen des fachlichen Anspruchs definiert sind, gerade in solchen wichtigen Leistungsbereichen, wie den offenen Freizeittreffs und den Beratungsstellen nicht umzusetzen. Zudem mussten die Zuschüsse für Ferienarbeit stark reduziert werden. Mit den Spielmobilen wird ein ganzer Leistungsbereich der Jugendhilfe wegbrechen. Die fünf Spielmobile in der Stadt Leipzig betreuen im Jahresdurchschnitt pro Woche ca. 600 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren. Dabei handelt es sich um offene, regelmäßige und ganzjährige Spiel-, Sport- und gestalterische Angebote in Gebieten mit ausgewiesenen Defiziten an Spiel- und Freizeitmöglichkeiten. Im Jugendhilfeplan der Stadt Leipzig sind die Spielmobile als notwendige und wichtige Angebote ausgewiesen. Aber dieser Jugendhilfeplan scheint in der Verwaltung sowieso niemanden mehr sonderlich zu interessieren. Zumindest sind bestimmte Entscheidungsvorschläge im Zusammenhang mit der Haushaltsdiskussion nicht am Bedarf – wie im Jugendhilfeplan formuliert – orientiert. An dieser Stelle fordern wir erneut, dass der Jugendhilfeplan entsprechend der gesetzlichen Vorgaben fortgeschrieben wird. Bereits im vergangenen Jahr haben wir auf den dringenden Investitionsbedarf in den Kindertagesstätten der Stadt Leipzig hingewiesen. Unserer Meinung nach spitzt sich die Situation weiter zu. Noch im Sommer 1999 wurde durch die Verwaltung selber eingeschätzt: „Um die demzufolge unbedingte Sicherung der aktuell vorhandenen Platzkapazität gewährleisten zu können, bedarf es jedoch kurzfristig erheblicher investiver Maßnahmen. So sind z. B. 10 Kindertagesstätten mit einer Kapazität von 522 Plätzen auf Grund umfangreicher Baumängel in ihrem Bestand akut gefährdet. Bei einer großen Anzahl weiterer Kindertagesstätten bestehen Brandschutzauflagen, bei deren Nichtrealisierung im Jahr 1999 weitere Plätze gesperrt würden.“ Wenn auch geringfügig mehr Mittel im Haushaltsplanentwurf 2000 für die Unterhaltung baulicher und technischer Anlagen eingestellt sind, so wird der Gesamtproblematik damit in keiner Weise entsprochen. Einige Worte zur Förderung des Sports. In Ihrem Geleitwort zum Sportprogramm 2005, Herr Oberbürgermeister, heißt es: „Die Sportvereine sind das Herz des Sports in unserer Stadt ... Über 33 % sind Kinder und Jugendliche. Ihnen kommt in der Sportförderung eine besondere Rolle zu.“ Eine Aussage, die auch wir unterstützen. Wir waren schon überrascht, als jetzt kurzfristig vom Beigeordneten für Jugend, Schule und Sport eine neue Prioritätensetzung vorgelegt wurde. Dies, ohne die wichtigen sportpolitischen Gremien dieser Stadt – wie den Stadtsportbund als Dachorganisation der über 300 Leipziger Vereine und den Fachausschuss Jugend, Schule und Sport – umfassend in die Diskussion einbezogen zu haben. Unter dem Deckmantel, jetzt noch mehr für den Kinder- und Jugendsport tun zu wollen, sollten letztendlich die Kürzungen im Haushaltsplanentwurf 2000 vorbereitet werden. Sowohl die Mittel für die Sportförderung in der Stadt Leipzig (1999 ca. 3,5 Mio. DM); 2000 ca. 2,7 Mio. DM) als auch der Betriebskostenzuschuss für die Sportanlagen (1999 ca. 2,6 Mio. DM; 2000 ca. 2,5 Mio. DM), die 1992 mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung übergeben wurden, sollen weiter gekürzt werden. Die Zuschüsse für Bauinvestitionen sind ganz gestrichen (1999 betrugen sie noch ca. 600 TDM). Wie sagten Sie Herr Tiefensee: „Sportvereine sind das Herz des Sports in unserer Stadt.“ Nur wenn dieses Herz gesund schlägt, wird es auch den anderen Teilen/Bereichen des Sports (Kinder- und Jugendsport) gut gehen. Die Kürzung der Sportfördermittel halten wir für ein falsches Zeichen. Keinem wäre geholfen, wenn die Sportvereine auf Grund der finanziellen Nöte veranlasst wären, die gepachteten Sportanlagen an die Stadt zurückzugeben.Viertens. Zum Sozialhaushalt. Das explosionsartige Ansteigen der Sozialausgaben in den letzten Jahren ist nicht Ausdruck einer sozialeren Politik, sondern Widerspiegelung zunehmender sozialer Differenzierungsprozesse in Leipzig. Damit wird zunehmend die Handlungsfähigkeit der Stadt eingeschränkt. Wir unterstützen nachdrücklich die Forderung, im Finanzausgleich des Freistaats die soziale Belastung der Gemeinden in der Höhe der Zuweisungen zu berücksichtigen. Mit dem Lebenslagenreport, den alle Fraktionen begrüßt haben, ist ein wichtige Entscheidungsgrundlage geschaffen worden, die mit der Erarbeitung sozialpolitischer Leitlinien, die im II. Quartal 2000 vorgelegt werden sollen, fortgesetzt werden soll. Im Haushaltsentwurf ist auf erste Schlussfolgerungen aus dem Lebenslagenreport wenn überhaupt, dann unzureichend reagiert worden. Dafür einige Beispiele.Ø Es ist nicht erkennbar, ob die im Haushaltsentwurf vorgesehenen Mittel sich auf im Report genannte Schwerpunkte beziehen und damit zielgerichteter eingesetzt sindØ Die erhebliche Absenkung der Zuschüsse für Vereine und Verbände im Sozialbereich ist nicht verständlich. Wir sind nicht gegen eine sparsame Verwendung von Zuschüssen. Aber gerade deshalb ist das Konzept der Stadtverwaltung überfällig, welche Aufgabenbereiche nach welchen Prioritäten im Gesundheits- und Sozialbereich künftig gefördert werden sollen.Ø Wir sind sehr dafür, dass der Leipzig-Pass aufgewertet wird, wie dies in einer Informationsvorlage der Stadtverwaltung vorgeschlagen wird. Weshalb wurden aber dann die Mittel für Ausgaben für den Leipzig-Pass erheblich reduziert. Die Minderinanspruchnahme der Mittel liegt vor allem darin begründet, dass viele Bedürftige diese Leistungen deshalb nicht beantragen, weil sie den Pass nicht kennen. Wir unterstützen die vorgesehene Erweiterung eines differenzierten Angebots des Leipzig-Pass. Diese wesentliche Veränderung muß durch eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden.Fünftens. Zu den Aufgabenbereichen Ordnung, Verkehr und Energie. Anträge und Anfragen von Bürgern und Stadträten zur Verbesserung der Ordnung in Leipzig reißen nicht ab. Mit diesem Haushalt wird ein weiterer Schritt in gegenteilige Richtung getan, z. B. um die Gefahr illegaler Müllablagerungen zu erhöhen. Dazu tragen nicht nur die noch zu beschließenden Abfallwirtschaftsgebühren bei, sondern auch die Schließung von Containerplätzen und der Abbau von Stellen im Stadtreinigungs- und Ordnungsamt. Ein weiterer Stellenabbau im Umweltamt bringt zwangsläufig Zeitverzögerungen bei Genehmigungsverfahren mit sich. Das Amt wird damit zum Hemmnis, was sein Image belastet und Umweltbelange in Misskredit bringt. Genehmigungsverfahren müssen vereinheitlicht, gestrafft und in neue Strukturen eingebracht werden. Mit besonderem Risiko behaftet ist der Stellenabbau im Brandschutzamt. Wir haben bereits darauf aufmerksam gemacht. Zu begrüßen sind die erhöhten Ausgaben für den Straßenbau. Damit wird es möglich, begonnene Vorhaben, wie die B6/Permoserstraße oder die Nordtangente Schönefeld weiterzuführen. Zu übersehen ist jedoch nicht, dass Neubau vor Reproduktion deutlich dominiert. Die größten Sorgen bereitet uns die Planung des inneren Tangentenringes über die Marschnerstraße. Unter dem Vorwand, die Erschließung des neu zu gestaltenden Sportforums betreiben zu wollen, soll aus den geringen Mitteln des Sportes (Infrastrukturmaßnahme Sportforum) eine übergeordnete Planungsidee umgesetzt werden. Das Ergebnis steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Eine Schnellstraße führt dann durch das zerteilte Sportforum. Es ist ein schwerer Irrtum zu glauben, somit einen Entlastungseffekt für die Friedrich-Ebert-Straße und die Waldstraße zu erreichen. Auf der Grundlage der Prognose der Verkehrsentwicklung ergibt sich bei kritischer Bewertung, dass die Nulllösung zwar nicht zum Nulltarif zu haben ist, doch Gelder gespart werden können, die in der einfachen Reproduktion gut aufgehoben sind. Wir werden dazu einen Antrag einbringen.Die LVB müssen sehr genau überlegen, welche Maßnahmen sie zur Straßenbahnbeschleunigung noch durchführen können. Während die Gelder für den Straßenbau üppig fließen, und auch die Reparatur langsam in Fluss kommt, erhalten die LVB nur Geld, wenn diese die baulichen Maßnahmen an eine separate Gleisführung koppeln. Für viele Bereiche der Stadt ist das aber nicht möglich. Sorgen macht uns auch die Schließung von Strecken. Wir glauben nicht, dass mit dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag die einfache, geschweige denn die erweiterte Reproduktion aller Bereiche der LVB gesichert sind. Und so wird man zuerst auf die Schließung betriebswirtschaftlich nicht effektiver Strecken ausweichen. Nach wie vor entspricht die Energiepolitik der Stadt nicht den volkswirtschaftlichen Anforderungen. Spätestens seit den Eingemeindungen und der Erkennbarkeit der gewaltigen Veränderungen auf dem liberalisierten Energiemarkt hätte die Verwaltung eine Arbeitsgruppe gründen müssen, die mit dem notwendigen Personal ausgestattet, den finanziellen Zugewinn für Leipzig organisiert. Derzeit, und das haben wir im letzten Jahr vorausgesagt, überstürzen sich die Aufgaben: Die Gebäude der neuen Ortsteile müssen auf Energiesparreserven untersucht werden, die Lieferverträge in ganz Leipzig sind neu zu ordnen. Energiekontrakt- und Energiedienstleistungsverträge sind zu begleiten, Neubauten sind auch auf wirtschaftliche Betreibung hin zu planen. Alle Gebäude der neuen Ortsteile sollten in einem Pool zusammengefasst werden, für welchen bezüglich Energie und Wärme Marktpreise einzufordern sind. Können Verhandlungen mit der ENIVIA dies nicht erbringen, sind Verträge zu kündigen und eine Versorgung über die Stadtwerke anzustreben. Einen entsprechenden Antrag werden wir einbringen Es ist ein weitläufiger Irrglaube anzunehmen, dass die Kostensenkungen auf dem Strommarkt das größte Gewicht haben. Das Potential der Einsparungen liegt nach unserem Überschlag bei ca. 1 Mio. DM. Im Stadtgebiet ist fast alles erreicht, Möglichkeiten bestehen noch in den neuen Ortsteilen. Wenn zu anderen kommunalen Aufgabenbereichen, wie Kultur, Umweltschutz u.a. an dieser Stelle keine Ausführungen gemacht werden, dann ist das in keiner Weise Zeichen für eine geringere Wertschätzung. Es ist letztlich der zur Verfügung stehenden Zeit geschuldet, wenn wir uns sehr konzentriert haben.Abschließend wollen wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der städtischen Betriebe, der Eigenbetriebe und der Stadtverwaltung sehr für ihre engagierte Arbeit danken. Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.