Es braucht ein qualitativ hochwertiges Instrument für den Sozialbereich!

Dr. Volker Külow

Seit 2004 gibt die Stadt Leipzig jährlich einen Sozialreport heraus. Im Jahr 2021 erschien die nunmehr 16. Ausgabe. Mit dem Sozialreport 2021 wurde ein wichtiger Schritt hin zum integrierten kooperativen Sozialbericht – wie wir ihn 2020 beantragt hatten – gegangen. Erstmals gibt es in jedem der insgesamt 11 Kapitel das von uns seinerzeit geforderte Teilkapitel „Zentrale Entwicklungen und Herausforderungen“, deren Qualität allerdings recht unterschiedlich ausgefallen ist. 

Zudem wurde in diesem Jahr die geschlechterdifferenzierte Berichterstattung erweitert und ein Teilkapitel zum geschützten Wohnen für Opfer häuslicher Gewalt aufgenommen. Ein zusätzliches Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit der Covid-19-Pandemie in Leipzig und den Gegenmaßnahmen der Stadtverwaltung. 

Angesichts der zusätzlichen Materialfülle verwundert es nicht, dass der Sozialreport jetzt statt 139 Seiten – wie sein Vorgänger – immerhin 178 Seiten umfasst. Hier haben die insgesamt 16 Autorinnen und Autoren um Pia Lorenz und Björn Uhrig wieder eine umfangreiche Arbeit geleistet, herzlichen Dank an dieser Stelle. 

Der Blick in den Sozialreport 2021 zeigt, wie eng Licht und Schatten weiterhin in Leipzig beieinander liegen. Zu letzterem zählen mehr Sterbefälle als Geburten, eine leicht ansteigende Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger sozialer Mindestsicherung oder gestiegene Arbeitslosigkeit. Auch wuchs unsere Stadt 2020 deutlich langsamer, was aber in unseren Augen nicht unbedingt eine schlechte Nachricht ist. Manch vermeintlich gute Nachricht stellt sich bei näherer Betrachtung als sehr ambivalent dar: Beispielsweise sank der Anteil der Abgängerinnen und Abgänger ohne Hauptschulabschluss im Vergleich zum Vorjahr und lag mit 9,4 Prozent so niedrig wie seit 1990 nicht mehr. 

Schaut man sich den entsprechenden Unterabschnitt im Sozialreport 2021 ab Seite 105ff. genauer an, wirft das vorliegende Zahlenwerk aber viele offene Fragen auf, die die Verwaltung trotz mehrfachen Nachhakens bis heute leider nicht klären konnte. 

Auch einige andere Schlussfolgerungen seitens der Verwaltung halten wir für etwas kühn. Dazu zählt die These, dass sich die Einkommensunterschiede zwischen den einkommensschwächsten und einkommensstärksten 20 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2020 leicht verringert haben. 

Ich erinnere an dieser Stelle an das Resümee vom letzten Jahr. Die LVZ überschrieb am 22. Januar 2021 ihren Bericht über den Sozialreport 2020 und andere statistische Papiere der Stadtverwaltung damals mit der deutlichen Botschaft: „Arm und Reich – Unterschiede wachsen“. Unsere Fraktion bezweifelt, dass sich dieser Trend im Coronajahr umgekehrt hat. Als Beleg stützt sich die Verwaltung nur auf die Zahlen der Kommunalen Bürgerumfrage 2020 (KBU). Wir glauben, mit 3.258 Rückläufen ist die Datenbasis zu wenig aussagefähig, um derartige Thesen zu wagen. 

Hier unterliegt die Bürgerumfrage u.E. methodischen und statistischen Unschärfen. Unsere Fraktion sieht daher an diesen und weiteren Stellen weiteren Qualifizierungsbedarf für den künftigen Sozialreport und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. 

Insbesondere für das 5. Kapitel „Lebensunterhalt“ und die dortigen Angaben zu Erwerbsstatus, Einkommensquellen, Einkommenshöhen der einzelnen Personen sowie der Haushalte sollten künftig nicht nur die Ergebnisse der Kommunalen Bürgerumfrage sondern nach Möglichkeit auch die Datensätzen der Bundesagentur für Arbeit, des Jobcenters, der Deutschen Rentenversicherung einbezogen werden. 

Auch die Referenzbeziehungen des Sozialreports mit der Bürgerumfrage, dem Statistischen Jahrbuch sowie anderen kommunalen Veröffentlichungen soll und kann verbessert werden. Sowohl die Verwaltung als auch der Stadtrat sind für sachgerechte politische Entscheidungen auf valide Daten und Fakten angewiesen. Zur Nachvollziehbarkeit von Daten zur demografischen, wirtschaftlichen und sozioökonomischen Entwicklung bedarf es in den veröffentlichten Statistiken der Ämter vergleichbarer Datengrundlagen, Begrifflichkeiten, Definitionsbereiche und Darstellungsausschnitte. 

Wer den Sozialreport und die KBU zu Rate zieht, soll nicht an unterschiedlichen Einkommensbegriffen, Alterseinteilungen und Zeitreihen scheitern. Um die veröffentlichten Erhebungen vergleichbar und nachvollziehbar zu gestalten, wollen wir mit unserem Antrag die benötigten Angleichungen erreichen. 

Um den wachsenden Herausforderungen der Planung und Koordination in einer sich rasant verändernden Stadt wie Leipzig auch politisch begegnen zu können, brauchen wir für den Sozialbereich ein qualitativ hochwertiges Instrument wie den Sozialreport, um die richtigen Grundlagen für kommunalpolitische Entscheidungen zu schaffen. 

Nur mit einer weiteren Qualifizierung der Datenlagen, des Berichtswesens und der Interpretation durch die Verwaltung kann es uns langfristig im Stadtrat gelingen, dem Versorgungsauftrag für alle Leipzigerinnen und Leipziger gerecht zu werden, Versorgungslücken zu erkennen und eine wirkungsorientierte fachliche Steuerung der kommunalen Sozialpolitik zu erreichen. 

Es gibt keine fachlichen Vorgaben für die Ausgestaltung einer Sozialberichterstattung oder einer Sozialplanung, also liegt es heute an Ihnen, an uns, die nächsten Schritte für gute Standards in der Sozialplanung festzulegen. Ich bitte um positive Zustimmung. 

Punkt 3 unseres Antrages bitten wir auch als Prüfauftrag zu sehen.