Ein eindeutiges Zeichen gegen jedweden Antisemitismus

Thomas Kumbernuß

Werte Mitglieder der demokratischen Fraktionen, werte Gäste auf der Tribüne und des Livestreams werte Pressevertreter, werte Bürgermeisterinnen, werter Oberbürgermeister...

Vor fast genau 150 Jahren erhielt die Alleestraße in Leipzig den bis heute gültigen Namen Arndtstraße. Sie wurde nach dem glühenden Antisemiten, Rassisten und Nationalisten Ernst Moritz Arndt benannt.

Vielfach missverstanden, leider auch von demokratiefremden Mitgliedern der Ratsversammlung, forderte er nicht nur zum Widerstand gegen Napolean auf, nein, sein Wirken zielte auf die Diffarmierung, Herabsetzung und Verunglimpfung des gesamten französischen Volkes ab, ja, er rief diesbezüglich zu offenem Hass auf.

So heißt es im 4. Teil seines Werkes "Geist der Zeit":

"Wenn ich sage, ich hasse den französischen Leichtsinn, ich verschmähe die französische Zierlichkeit, mir missfällt die französische Geschwätzigkeit und Flatterhaftigkeit, so spreche ich vielleicht einen Mangel aus, aber einen Mangel, der mir mit meinem ganzen Volke gemein ist.

Und kurz später:

Darum lasst uns die Franzosen nur recht frisch hassen, lasst uns unsre Franzosen, die Entehrer und Verwüster unserer Kraft und Unschuld, nur noch frischer hassen, wo wir fühlen, dass sie unsere Tugend und Stärke verweichlichen und entnerven."

Und noch weiter heißt es bei Ernst Moritz Arndt:

"Ich will den Haß gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für lange Zeit, ich will ihn für immer. Darin werden Deutschlands Grenzen auch ohne künstliche Wehren sicher sein, denn das Volk wird immer einen Vereinigungspunkt haben, sobald die unruhigen und räuberischen Nachbarn darüber laufen wollen. Dieser Haß glühe als Religion des deutschen Volkes, als ein heiliger Wahn in allen Herzen und erhalte uns immer in unserer Treue und Redlichkeit und Tapferkeit... "

Sein wahnhafter Hass gegen Franzosen ging über in einen ebenso wahnhaften Hass gegenüber Juden, wenn er beispielsweise behauptet und unterstellt:

"In alle Kreise […] der teutschen Zunge (ergingen) Befehle, Listen einzuschicken über die mannbaren teutschen Jungfrauen, welche durch Vermögen, Schönheit und Anmuth glänzten. Diese sollten nach Frankreich abgeführt und an Franzosen vergeben werden. Hätte dies ausgeführt werden können, wie bald wäre diesseits des Rheins die edle deutsche Art verbastardet worden..."

Der hier bereits zum Vorschein kommende generelle Rassismus im politischen Denken Ernst Moritz Arndts äußerte sich auch in seinem Werk "Weltgeschichte im Aufriss, Band 2", wenn er schreibt:

"Die Deutschen sind nicht durch fremde Völker verbastardet, sie sind keine Mischlinge geworden, sie sind mehr als viele andere Völker in ihrer angeborenen Reinheit geblieben und haben sich aus dieser Reinheit ihrer Art und Natur nach den stetigen Gesetzen der Zeit langsam und still entwickeln können; die glücklichen Deutschen sind ein ursprüngliches Volk […]; jedes Volk wird nur dadurch das Beste und Edelste werden und das Beste und Edelste hervorbringen können, dass es immer das Kräftigste und Schönste seines Stammes ausliest und mit eineinander zeugen lässt."

Mal davon abgesehen, dass diese Aussagen sowohl inhaltlich falsch wie auch offen rassistisch sind, kann ich doch nur hoffen, dass niemand in der Ratsversammlung sitzt, der diese Meinung teilt, allerdings bin ich da skeptisch...

Weiter heißt es dort:

"Mann sollte die Einfuhr der Juden aus der Fremde in Deutschland schlechterdings verbieten und hindern. [...] Die Juden als Juden passen nicht in diese Welt und in diese Staaten hinein, und darum will ich nicht, daß sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden. ich will es aber auch deswegen nicht, weil sie ein durchaus fremdes Volk sind und weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche. [...] Ein gütiger und gerechter Herrscher fürchtet das Fremde und Entartete, welches durch unaufhörlichen Zufluß und Beimischung die reinen und herrlichen Keime seines edlen Volkes vergiften und verderben kann."

Wer in diesen Zeilen keinen Antisemitismus erkennt, macht sich zu seinem Verbündeten. Wer den Antisemitismus eines Ernst Moritz Arndt mit dem damaligen Zeitgeist er- und verklärt, verklärt auch die antisemitischen Taten im Deutschen Reich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, denn auch sie entsprachen dem damaligen Zeitgeist und wer dies verklärt, verweigert sich deren kritischer Aufarbeitung, einer Aufarbeitung übrigens, die das Wirken der jüdischen deutsch-amerikanischen Historikerin und Publizistin Hannah Arendt prägte. So sehr ich jetzt ausführlicher auf ihr Werk eingehen möchte, so bedauerlicherweise muss ob der fortschreitenden Dauer der Rede auf einen späteren Zeitpunkt verweisen, gerne im Zusammenhang der Umbennenung der Arnststraße in Hannah-Arendt-Straße.

Noch einige wenige Bemerkungen zur Umbenennung:

Im Mai 1933 erhielt die Universität in Greifswald auf Betreiben von Walther Glawe den Namen Ernst-Moritz-Arndt-Universität. Verliehen bekam sie ihn von Hermann Göring. Walther Glawe selbst war Mitglied im Stahlhelm, im Bund der Frontsoldaten, später Scharführer einer SA-Brigade und Mitglied der NSDAP.

Am 17. Januar 2018, also fast auf den Tag genau vor zwei Jahren, beschloss die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald diesen Namen wieder abzulegen.

Im vergangenen Jahr beschloss zudem die Ernst-Moritz-Arndt-Gemeinde in Berlin-Zehlendorf, sich von ihrem Namensgeber ob seines judenfeindlichen Wirkens zu trennen.

Der Stadtbezirksbeirat Süd beschloss mit überwältigender Mehrheit dem Antrag der Umbenennung der Arnststraße in Hannah-Arendt-Straße zuzustimmen. Es war ein überzeugendes Votum der vor Ort agierenden Vertreterinnen und Vertreter des Leipziger Südens. Am kommenden Montag gedenken wir dem 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers von Auschwitz. Lassen SIE UNS bitte hier und heute ein eindeutiges Zeichen gegen jedweden Antisemitismus setzen.

Rede zum Antrag VI-A-00420 von Stadtrat Kumbernuß „Umbenennung Arndtstraße“. Der Antrag wurde angenommen.