Die Würdigung der Meuten ist längst überfällig!

Marco Götze

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Bürgemeisterinnen und Bürgermeister,

sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,

Ortschaftsrätinnen und Ortschaftsräte,

sehr geehrte Mitglieder des Jugendparlaments,

sehr geehrte Wahrnehmende dieser Ratsversammlung

auf der Tribüne und im Livestream,

 

vor uns liegt ein Anliegen, dass wir als LINKE ganz ausdrücklich begrüßen. Widerstand im Dritten Reich hatte viele unterschiedliche Ausprägungen. Immer gehörte dazu Mut und Entschlossenheit, zuvor jedoch auch stets ein Bewusstsein der inneren Verweigerung, einer bewussten Entscheidung, nicht mitzumachen und sich der NS-Ideologie zu verweigern.

Die Möglichkeiten und die Wirksamkeit von Widerstand bestimmte sich durch die individuellen Handlungsspielräume, welche den einzelnen Menschen in dieser Zeit gegeben, besser gesagt, übriggeblieben waren. Zwar gibt es jenes Modell des Widerstandes in Stufen, die einmal Peukert erdacht hat. Danach gibt es vier Stufen des Widerstandes:

Erstens bewusste Nonkonformität, zweitens bewusste Verweigerung, drittens Protest, viertens tätiger Widerstand. Gedacht wird das Modell von der nach außen wirksamen Wahrnehmbarkeit, vom Effekt, vom Störcharakter gegen den totalen Anspruch des Regimes, das gesamte Leben zu kontrollieren.

Es ist jedoch nicht so, dass irgendeine dieser Formen weniger Risiko in sich trugen zu persönlichen Nachteilen und zur Verfolgung zu führen. Vergessen wir nicht, dass bereits jede unerwünschte Abweichung, die nicht einmal Widerstand war, zur Verfolgung im Dritten Reich führen konnte.

Umso mehr müssen wir Akte jugendlichen Widerstandes würdigen, für diese Initiative können wir dem Jugendparlament dankbar sein.

Und es ist überdies sehr gut, dass die Würdigung des jugendlichen Widerstandes von jungen Menschen selbst an dieser Stelle eingebracht wird. Wir würden uns freuen, wenn unser Änderungsantrag von Ihnen positiv votiert wird. Er versteht sich als Ergänzungsantrag, der dem Anliegen vollauf entsprechen möchte.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf einen weiteren Aspekt des jugendlichen Widerstandes zu verweisen und anregen, ihn als künftigen Antragsgegenstand anzudenken. Die Meuten stehen für Gruppen, die einen starken regionalen Bezug und eigene Identifikation besaßen.

Zum jugendlichen Widerstand gehören nicht minder auch Gruppen aus Jugendorganisationen, insbesondere aus der Arbeiterbewegung, den Arbeiterparteien und auch christlicher Organisationen aus der Zeit vor der Machtübernahme der Nazis, die ihren Widerstand auch im Dritten Reich fortsetzten oder aus dem Untergrund begannen. Zum Teil gibt es auch Überschneidungen mit dem Personenkreis, zuweilen auch nicht.

An die Würdigung der Meuten, die längst überfällig ist, sollte sich in nicht allzu ferner Zeit die hervorgehobene Würdigung auch jener Gruppen jungen Widerstands anschließen.

Sicher, wir haben vor, die gesamte Erinnerungskultur insgesamt stärker zu sortieren, der Bedarf ist erkannt und das Format steht noch aus. Wir werden uns immer wieder mit Begehren der Würdigung von Gruppen in der Ratsversammlung auseinandersetzen und das ist auch gut so.

Was daraus gesellschaftlich gewürdigt und wovon gelernt werden kann, ist das Schätzen von Selbstbestimmung, von humanen Überzeugungen, friedfertigen und nach Gerechtigkeit strebenden Werten – und diesen wie sich selbst treu zu bleiben. Auch in schwierigen und schwierigsten Zeiten.

Vielen Dank.