VII-A-06720-NF-02 Gedenken an die Opfer von Femiziden in Leipzig
Beschlussvorschlag:
Die Stadt wird beauftragt,
- das Gedenken an die Opfer von Femiziden in Leipzig in das Konzept Erinnerungskultur der Stadt Leipzig aufzunehmen;
- bis Ende des IV. Quartals 2023 einen Entscheidungsvorschlag einschließlich Umsetzungskonzept für das Gedenken an Opfer von Femiziden vorzulegen. Das Konzept (Inhalte bzw. eine Inschrift, die formale Umsetzung sowie die stadträumliche Verortung) wird in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, vor allem der Initiative #KeineMehr Leipzig, erarbeitet. In diesem Prozess wird ergebnisoffen die Umsetzung als Gedenktafel, Stele oder als künstlerisches Format geprüft. Der neue Gedenkort wird bis Ende 2024 öffentlich eingeweiht.
Sachverhalt:
Seit 2011 sind mindestens zwölf Leipzigerinnen Opfer von Femiziden geworden. Große mediale Aufmerksamkeit haben etwa die Morde an Maria D. (2016 in Lindenau), an Sophia L. (2018, auf dem Weg nach Spanien) und an Myriam Z. (2020 im Connewitzer Auwald) erregt.
Das Konzept des Femizid (auch: Feminizid) kommt aus dem lateinamerikanischen Raum und bezeichnet den Mord an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Femizide werden medial häufig als „Familientragödien“ oder „Eifersuchtsdramen“ bezeichnet – und damit verharmlost. Es handelt sich nicht um unglückliche Einzelfälle, sondern die extreme Zuspitzung einer Reihe von Gewalttaten gegen Frauen, die von physischer und psychischer Herabwürdigung, häuslicher Gewalt und Einsperren über Stalking bis zu sexueller Belästigung und Vergewaltigung reicht. Die Täter sind fast immer Männer – am häufigsten der eigene Partner oder Expartner, in manchen Fällen eine flüchtige Bekanntschaft oder ein Familienangehöriger. Frauen werden ermordet, weil sie den geschlechtsspezifischen Erwartungen der Täter nicht entsprechen, etwa indem sie eigenständige Entscheidungen treffen. Das kann das Verlassen des Partners (sog. Trennungstötungen) oder das Verweigern von Sex oder Zuneigung sein. Kennzeichnend für Femizide ist die milde Bestrafung der Täter (Totschlag statt Mord) bzw. juristisches „Verschleppen“ von Anzeigen oder Prozessen.
Kennzeichnend ist auch der verbreitete Unglaube, dass solche extremen Gewaltakte nicht „mitten unter uns“ stattfinden. Oft werden die Taten auf psychisch kranke Einzelne oder aber rassistisch markierte „fremde Männer“ ausgelagert. Die Thematisierung von Frauenmorden als Femiziden soll dem entgegenwirken. Erste Erfolge sind die fruchtbare Kontroverse in der LVZ nach der Tötung von Myriam Z., in der die mediale Berichterstattung kritisiert und verteidigt wurde, sowie die Gründung der Initiative #KeineMehr Leipzig, die seit 2020 Femizide in Leipzig dokumentiert und darüber aufklärt.
Das Gedenkformat soll das Erinnern an Femizide und ihre geschlechtliche Spezifik erstmals im Stadtraum verankern. Auf diese Weise soll zur Prävention nicht nur von Femiziden selbst, sondern auch von sexueller und häuslicher Gewalt, die einem Femizid häufig vorangehen, beigetragen werden. Die Verankerung von Femiziden im öffentlichen Gedenken soll dazu aufrufen, bei Gewalt gegen Frauen, Kinder und LGBTI nicht wegzusehen, sondern sich couragiert für ein geschlechtergerechtes Zusammenleben in Leipzig einzusetzen. Leipziger Akteur*innen wie die Initiative #KeineMehr Leipzig, Frauen für Frauen e. V., das soziokulturelle Zentrum Frauenkultur und die feministischen Bibliothek MONAliesA sind bereits mit Stellungnahmen, Veranstaltungen und Aktionen gegen Femizide hervorgetreten. #KeineMehr Leipzig hat sich bereits mit erinnerungspolitischen Konzepten zum Thema Femizide auseinandergesetzt. Durch die Zusammenarbeit mit dieser Gruppe wäre überdies die fachliche Anbindung an die bundesweite sowie internationale Femizidforschung gewährleistet.
Gemeinsam kann somit ein wichtiger Baustein im Bereich Gewaltschutz und Antidiskriminierung gelegt werden.
Als Standort wird der Ort vorgeschlagen, an dem Myriam Z. am 8.4.2020 getötet wurde. Der Tatort im Connewitzer Auwald am Parkplatz Richard-Lehmann-Straße/Neue Linie wird bereits von privater Seite als Gedenkort gepflegt. Die Inschrift der Gedenktafeln soll sich dennoch nicht explizit auf diesen Fall beziehen, um die Privatsphäre der Angehörigen nicht zu verletzen. Vielmehr soll allgemeiner der in Leipzig verübten Femizide gedacht werden.